Heyden, Friedrich von: Der graue John. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 13. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–231. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.mütze bevorstand, mit größerer Theilnahme, als Heinrich. Nach Tische trat er zu Eduard und sagte ihm auf Deutsch, welches Niemand sonst in der Gesellschaft verstand: Gottlob! nun er den Liebhaber machen und sich zum Ehemanne bequemen wird, muß er sein geheimnißvolles Treiben entweder aufgeben, oder aufklären, und man wird so oder anders den Verdacht gegen Dasjenige, was er sechs Tage der Woche in tiefer Verborgenheit treiben mag, los. Eduard lächelte und setzte entgegen: Wenn er aber dessenungeachtet sein geheimnißvolles Treiben weder aufgiebt, noch erklärt, -- wie dann? Dann, eiferte Heinrich, hat er den Teufel im Leibe, und ich wenigstens kann nicht länger mit ihm verkehren. Der Erfolg zeigte, daß Eduard sich nicht geirrt hatte. Williams war an jedem Sonntage der zärtlichste Verlobte bei seiner Braut, aber die Woche hindurch war er unsichtbar wie bisher. Wie er sich dieserhalb mit Betty und ihren Eltern verständigt, konnten die beiden Freunde nicht erforschen; daß aber Alle von seinen zureichenden Gründen zu so seltsamem Verfahren, und von dem Wie? und Wo? seiner wöchentlichen Verborgenheit nichts wußten, gestand Betty einmal selbst dem aushorchenden Heinrich, doch, wie es wenigstens schien, ohne deßhalb von Neugierde geplagt zu sein; denn das Mädchen achtete den Bräutigam wirklich, und war um so bereitwilliger sich seinem Willen zu mütze bevorstand, mit größerer Theilnahme, als Heinrich. Nach Tische trat er zu Eduard und sagte ihm auf Deutsch, welches Niemand sonst in der Gesellschaft verstand: Gottlob! nun er den Liebhaber machen und sich zum Ehemanne bequemen wird, muß er sein geheimnißvolles Treiben entweder aufgeben, oder aufklären, und man wird so oder anders den Verdacht gegen Dasjenige, was er sechs Tage der Woche in tiefer Verborgenheit treiben mag, los. Eduard lächelte und setzte entgegen: Wenn er aber dessenungeachtet sein geheimnißvolles Treiben weder aufgiebt, noch erklärt, — wie dann? Dann, eiferte Heinrich, hat er den Teufel im Leibe, und ich wenigstens kann nicht länger mit ihm verkehren. Der Erfolg zeigte, daß Eduard sich nicht geirrt hatte. Williams war an jedem Sonntage der zärtlichste Verlobte bei seiner Braut, aber die Woche hindurch war er unsichtbar wie bisher. Wie er sich dieserhalb mit Betty und ihren Eltern verständigt, konnten die beiden Freunde nicht erforschen; daß aber Alle von seinen zureichenden Gründen zu so seltsamem Verfahren, und von dem Wie? und Wo? seiner wöchentlichen Verborgenheit nichts wußten, gestand Betty einmal selbst dem aushorchenden Heinrich, doch, wie es wenigstens schien, ohne deßhalb von Neugierde geplagt zu sein; denn das Mädchen achtete den Bräutigam wirklich, und war um so bereitwilliger sich seinem Willen zu <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0042"/> mütze bevorstand, mit größerer Theilnahme, als Heinrich. Nach Tische trat er zu Eduard und sagte ihm auf Deutsch, welches Niemand sonst in der Gesellschaft verstand: Gottlob! nun er den Liebhaber machen und sich zum Ehemanne bequemen wird, muß er sein geheimnißvolles Treiben entweder aufgeben, oder aufklären, und man wird so oder anders den Verdacht gegen Dasjenige, was er sechs Tage der Woche in tiefer Verborgenheit treiben mag, los.</p><lb/> <p>Eduard lächelte und setzte entgegen: Wenn er aber dessenungeachtet sein geheimnißvolles Treiben weder aufgiebt, noch erklärt, — wie dann?</p><lb/> <p>Dann, eiferte Heinrich, hat er den Teufel im Leibe, und ich wenigstens kann nicht länger mit ihm verkehren.</p><lb/> <p>Der Erfolg zeigte, daß Eduard sich nicht geirrt hatte. Williams war an jedem Sonntage der zärtlichste Verlobte bei seiner Braut, aber die Woche hindurch war er unsichtbar wie bisher. Wie er sich dieserhalb mit Betty und ihren Eltern verständigt, konnten die beiden Freunde nicht erforschen; daß aber Alle von seinen zureichenden Gründen zu so seltsamem Verfahren, und von dem Wie? und Wo? seiner wöchentlichen Verborgenheit nichts wußten, gestand Betty einmal selbst dem aushorchenden Heinrich, doch, wie es wenigstens schien, ohne deßhalb von Neugierde geplagt zu sein; denn das Mädchen achtete den Bräutigam wirklich, und war um so bereitwilliger sich seinem Willen zu<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0042]
mütze bevorstand, mit größerer Theilnahme, als Heinrich. Nach Tische trat er zu Eduard und sagte ihm auf Deutsch, welches Niemand sonst in der Gesellschaft verstand: Gottlob! nun er den Liebhaber machen und sich zum Ehemanne bequemen wird, muß er sein geheimnißvolles Treiben entweder aufgeben, oder aufklären, und man wird so oder anders den Verdacht gegen Dasjenige, was er sechs Tage der Woche in tiefer Verborgenheit treiben mag, los.
Eduard lächelte und setzte entgegen: Wenn er aber dessenungeachtet sein geheimnißvolles Treiben weder aufgiebt, noch erklärt, — wie dann?
Dann, eiferte Heinrich, hat er den Teufel im Leibe, und ich wenigstens kann nicht länger mit ihm verkehren.
Der Erfolg zeigte, daß Eduard sich nicht geirrt hatte. Williams war an jedem Sonntage der zärtlichste Verlobte bei seiner Braut, aber die Woche hindurch war er unsichtbar wie bisher. Wie er sich dieserhalb mit Betty und ihren Eltern verständigt, konnten die beiden Freunde nicht erforschen; daß aber Alle von seinen zureichenden Gründen zu so seltsamem Verfahren, und von dem Wie? und Wo? seiner wöchentlichen Verborgenheit nichts wußten, gestand Betty einmal selbst dem aushorchenden Heinrich, doch, wie es wenigstens schien, ohne deßhalb von Neugierde geplagt zu sein; denn das Mädchen achtete den Bräutigam wirklich, und war um so bereitwilliger sich seinem Willen zu
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Zitationshilfe: | Heyden, Friedrich von: Der graue John. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 13. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–231. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyden_john_1910/42>, abgerufen am 16.07.2024. |