Heyden, Friedrich von: Der graue John. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 13. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–231. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.wird ruchtbar, indeß ohne Robert im Mindesten vor der Welt auszusetzen. Es wird durch die Aussage von Schiffern und andern Personen festgestellt, der Todte sei von Amerika gekommen, um in Ostindien einen Betrüger zu suchen, der ihm seine letzte Habe gestohlen. Er landete zu Bombay, wo er, dem Gerüchte nach, den Gegenstand seiner Nachforschungen vermuthete, und ihn nicht fand. Er wollte ihn im Innern von Indien suchen, ward von den Mahratten gefangen, als Sklave umhergeschleppt, gemißhandelt, bis er den Verstand verlor und man ihn krank und erschöpft am Wege liegen ließ. Durch seltsame Fügung seines Geschickes kam er darauf nach Madras als ein verstandloser Bettler und suchte sein Brod vor den Thüren, bis ihn, eben vor Robert's Hause, ein Zufall zum Ziele seiner Nachforschungen, aber auch zum Ende seines Lebens brachte. -- Niemand ahnt in Robert den Verbrecher, aber ihm gehen die Augen über sich selbst auf. Kein irdischer Richter kann ihn zur Rechenschaft ziehen, aber er verurtheilt sich selbst. Einige Monate brütet er im trostlosen Gefühle der eignen Verwerfung über den seltsamsten Planen zur Selbstpeinigung, aber alle scheinen ihm zu gering für sein Verbrechen. Ein alter Bramine ist sein Vertrauter, weil diese Kaste in Folge ihrer Religionslehren erfinderischer ist, als Jemand sonst, in fanatischer Ertödtung der Sinnlichkeit, und weil im Busen dieses von den Engländern für halb wahnsinnig gehaltenen, in einer Einöde lebenden Ein- wird ruchtbar, indeß ohne Robert im Mindesten vor der Welt auszusetzen. Es wird durch die Aussage von Schiffern und andern Personen festgestellt, der Todte sei von Amerika gekommen, um in Ostindien einen Betrüger zu suchen, der ihm seine letzte Habe gestohlen. Er landete zu Bombay, wo er, dem Gerüchte nach, den Gegenstand seiner Nachforschungen vermuthete, und ihn nicht fand. Er wollte ihn im Innern von Indien suchen, ward von den Mahratten gefangen, als Sklave umhergeschleppt, gemißhandelt, bis er den Verstand verlor und man ihn krank und erschöpft am Wege liegen ließ. Durch seltsame Fügung seines Geschickes kam er darauf nach Madras als ein verstandloser Bettler und suchte sein Brod vor den Thüren, bis ihn, eben vor Robert's Hause, ein Zufall zum Ziele seiner Nachforschungen, aber auch zum Ende seines Lebens brachte. — Niemand ahnt in Robert den Verbrecher, aber ihm gehen die Augen über sich selbst auf. Kein irdischer Richter kann ihn zur Rechenschaft ziehen, aber er verurtheilt sich selbst. Einige Monate brütet er im trostlosen Gefühle der eignen Verwerfung über den seltsamsten Planen zur Selbstpeinigung, aber alle scheinen ihm zu gering für sein Verbrechen. Ein alter Bramine ist sein Vertrauter, weil diese Kaste in Folge ihrer Religionslehren erfinderischer ist, als Jemand sonst, in fanatischer Ertödtung der Sinnlichkeit, und weil im Busen dieses von den Engländern für halb wahnsinnig gehaltenen, in einer Einöde lebenden Ein- <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0038"/> wird ruchtbar, indeß ohne Robert im Mindesten vor der Welt auszusetzen. Es wird durch die Aussage von Schiffern und andern Personen festgestellt, der Todte sei von Amerika gekommen, um in Ostindien einen Betrüger zu suchen, der ihm seine letzte Habe gestohlen. Er landete zu Bombay, wo er, dem Gerüchte nach, den Gegenstand seiner Nachforschungen vermuthete, und ihn nicht fand. Er wollte ihn im Innern von Indien suchen, ward von den Mahratten gefangen, als Sklave umhergeschleppt, gemißhandelt, bis er den Verstand verlor und man ihn krank und erschöpft am Wege liegen ließ. Durch seltsame Fügung seines Geschickes kam er darauf nach Madras als ein verstandloser Bettler und suchte sein Brod vor den Thüren, bis ihn, eben vor Robert's Hause, ein Zufall zum Ziele seiner Nachforschungen, aber auch zum Ende seines Lebens brachte. — Niemand ahnt in Robert den Verbrecher, aber ihm gehen die Augen über sich selbst auf. Kein irdischer Richter kann ihn zur Rechenschaft ziehen, aber er verurtheilt sich selbst. Einige Monate brütet er im trostlosen Gefühle der eignen Verwerfung über den seltsamsten Planen zur Selbstpeinigung, aber alle scheinen ihm zu gering für sein Verbrechen. Ein alter Bramine ist sein Vertrauter, weil diese Kaste in Folge ihrer Religionslehren erfinderischer ist, als Jemand sonst, in fanatischer Ertödtung der Sinnlichkeit, und weil im Busen dieses von den Engländern für halb wahnsinnig gehaltenen, in einer Einöde lebenden Ein-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0038]
wird ruchtbar, indeß ohne Robert im Mindesten vor der Welt auszusetzen. Es wird durch die Aussage von Schiffern und andern Personen festgestellt, der Todte sei von Amerika gekommen, um in Ostindien einen Betrüger zu suchen, der ihm seine letzte Habe gestohlen. Er landete zu Bombay, wo er, dem Gerüchte nach, den Gegenstand seiner Nachforschungen vermuthete, und ihn nicht fand. Er wollte ihn im Innern von Indien suchen, ward von den Mahratten gefangen, als Sklave umhergeschleppt, gemißhandelt, bis er den Verstand verlor und man ihn krank und erschöpft am Wege liegen ließ. Durch seltsame Fügung seines Geschickes kam er darauf nach Madras als ein verstandloser Bettler und suchte sein Brod vor den Thüren, bis ihn, eben vor Robert's Hause, ein Zufall zum Ziele seiner Nachforschungen, aber auch zum Ende seines Lebens brachte. — Niemand ahnt in Robert den Verbrecher, aber ihm gehen die Augen über sich selbst auf. Kein irdischer Richter kann ihn zur Rechenschaft ziehen, aber er verurtheilt sich selbst. Einige Monate brütet er im trostlosen Gefühle der eignen Verwerfung über den seltsamsten Planen zur Selbstpeinigung, aber alle scheinen ihm zu gering für sein Verbrechen. Ein alter Bramine ist sein Vertrauter, weil diese Kaste in Folge ihrer Religionslehren erfinderischer ist, als Jemand sonst, in fanatischer Ertödtung der Sinnlichkeit, und weil im Busen dieses von den Engländern für halb wahnsinnig gehaltenen, in einer Einöde lebenden Ein-
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Zitationshilfe: | Heyden, Friedrich von: Der graue John. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 13. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–231. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyden_john_1910/38>, abgerufen am 16.02.2025. |