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Heyden, Friedrich von: Der graue John. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 13. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–231. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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legte, weil die Kosten, welche für das Geschäft aufgewendet worden, zu hoch erschienen, weil die Forderung nicht ganz erstritten war. Robert, außer sich vor Wuth, zerriß den Brief mit den Zähnen. Gleich darauf erfuhr er unter der Hand, daß sein argwöhnlicher Principal durch einen anderen Bevollmächtigten einen Verhaftsbefehl gegen ihn habe auswirken lassen, der nur wegen einer mangelnden Förmlichkeit noch nicht gleich in Kraft treten könne. -- So ist es dennoch wahr, rief er aus, es bleibt dem Menschen in dieser verderbten Welt keine Wahl, als zwischen dem Narren und dem Schelme. Lange genug bin ich in verachteter Ehrlichkeit der erste gewesen, nun wähle ich den letzten, und Niemand soll mich übertreffen. -- Er nimmt das Geld seines Principals, welches ihm bereits ausgezahlt worden, besteigt ein segelfertiges Schiff und eilt nach Ostindien. Er legt dort für eigene Rechnung das fremde Gut in einem einträglichen Geschäfte an, und sein geraubter Mammon ist in wenigen Monaten verzehnfacht. Er speculirt immer kühner, und der böse Geist, dem er durch seine Unredlichkeit angehört, scheint ihm zu helfen. Bald ist er der Chef eines eigenen großen Hauses zu Madras. Reichthümer strömen von allen Seiten auf ihn ein, denn er hat den Betrug kennen gelernt, durch den im Handel mit halbwilden Völkern unermeßliche Summen gewonnen werden, und die Bestechlichkeit der Beamten der ostindischen Compagnie macht ihm von der einen Seite jeden

legte, weil die Kosten, welche für das Geschäft aufgewendet worden, zu hoch erschienen, weil die Forderung nicht ganz erstritten war. Robert, außer sich vor Wuth, zerriß den Brief mit den Zähnen. Gleich darauf erfuhr er unter der Hand, daß sein argwöhnlicher Principal durch einen anderen Bevollmächtigten einen Verhaftsbefehl gegen ihn habe auswirken lassen, der nur wegen einer mangelnden Förmlichkeit noch nicht gleich in Kraft treten könne. — So ist es dennoch wahr, rief er aus, es bleibt dem Menschen in dieser verderbten Welt keine Wahl, als zwischen dem Narren und dem Schelme. Lange genug bin ich in verachteter Ehrlichkeit der erste gewesen, nun wähle ich den letzten, und Niemand soll mich übertreffen. — Er nimmt das Geld seines Principals, welches ihm bereits ausgezahlt worden, besteigt ein segelfertiges Schiff und eilt nach Ostindien. Er legt dort für eigene Rechnung das fremde Gut in einem einträglichen Geschäfte an, und sein geraubter Mammon ist in wenigen Monaten verzehnfacht. Er speculirt immer kühner, und der böse Geist, dem er durch seine Unredlichkeit angehört, scheint ihm zu helfen. Bald ist er der Chef eines eigenen großen Hauses zu Madras. Reichthümer strömen von allen Seiten auf ihn ein, denn er hat den Betrug kennen gelernt, durch den im Handel mit halbwilden Völkern unermeßliche Summen gewonnen werden, und die Bestechlichkeit der Beamten der ostindischen Compagnie macht ihm von der einen Seite jeden

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T11:12:58Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T11:12:58Z)

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Zitationshilfe: Heyden, Friedrich von: Der graue John. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 13. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–231. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyden_john_1910/36>, abgerufen am 26.04.2024.