Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heyden, Friedrich von: Der graue John. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 13. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–231. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

seine Bestimmungen ließ er nie zur Sprache kommen und machte es zur ernsten, festen Bedingung für seine Freunde, daß nie danach geforscht werde. -- Ich bin da, sagte er einst dem aushorchenden Heinrich; ist dies nicht genug? Ist es von den übrigen Menschen etwa bekannt, woher sie kommen, wozu sie eigentlich vorhanden sind, und wohin sie gehen werden? Und doch muß man brüderlich sie sich gefallen lassen. Was ich für mich in Anspruch nehme, ist wenig mehr, als jedem Sterblichen ohnehin eingeräumt werden muß. Möchten Sie dem, der sein eifrigstes Bestreben dahin richtet, Ihnen nicht gleichgültig zu sein, dieses Wenige als persönliche Gunst versagen? -- Seine Verborgenheit in London behauptete er ohne Unterlaß. Eduard ehrte seine Geheimnisse, Heinrich gab sich dagegen alle Mühe, ihm auf die Spur zu kommen, jedoch vergeblich. Einst suchte er Mr. Leads' Meinung über den räthselhaften Gentleman zu erforschen. Kein Weg konnte aber weniger zum Ziele führen. Der Gastwirth sah die Sache als Gastwirth an. Mr. Williams' Weise, die Woche hindurch spurlos zu verschwinden, sei sonderbar, aber in Alt-England habe Jeder das Recht, für sein Geld sonderbar zu sein. Geld habe Mr. Williams genug, und ehrlich müsse es doch erworben sein, da er einen ehrlichen Gebrauch davon mache. Seit vier Jahren verkehre der Gentleman auf gleiche Weise in seinem Hause und sei der Wohlthäter der Gegend geworden. Uebrigens habe der Herr ja das beste Gut im Dorfe ge-

seine Bestimmungen ließ er nie zur Sprache kommen und machte es zur ernsten, festen Bedingung für seine Freunde, daß nie danach geforscht werde. — Ich bin da, sagte er einst dem aushorchenden Heinrich; ist dies nicht genug? Ist es von den übrigen Menschen etwa bekannt, woher sie kommen, wozu sie eigentlich vorhanden sind, und wohin sie gehen werden? Und doch muß man brüderlich sie sich gefallen lassen. Was ich für mich in Anspruch nehme, ist wenig mehr, als jedem Sterblichen ohnehin eingeräumt werden muß. Möchten Sie dem, der sein eifrigstes Bestreben dahin richtet, Ihnen nicht gleichgültig zu sein, dieses Wenige als persönliche Gunst versagen? — Seine Verborgenheit in London behauptete er ohne Unterlaß. Eduard ehrte seine Geheimnisse, Heinrich gab sich dagegen alle Mühe, ihm auf die Spur zu kommen, jedoch vergeblich. Einst suchte er Mr. Leads' Meinung über den räthselhaften Gentleman zu erforschen. Kein Weg konnte aber weniger zum Ziele führen. Der Gastwirth sah die Sache als Gastwirth an. Mr. Williams' Weise, die Woche hindurch spurlos zu verschwinden, sei sonderbar, aber in Alt-England habe Jeder das Recht, für sein Geld sonderbar zu sein. Geld habe Mr. Williams genug, und ehrlich müsse es doch erworben sein, da er einen ehrlichen Gebrauch davon mache. Seit vier Jahren verkehre der Gentleman auf gleiche Weise in seinem Hause und sei der Wohlthäter der Gegend geworden. Uebrigens habe der Herr ja das beste Gut im Dorfe ge-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0030"/>
seine Bestimmungen ließ er nie zur Sprache                kommen und machte es zur ernsten, festen Bedingung für seine Freunde, daß nie danach                geforscht werde. &#x2014; Ich bin da, sagte er einst dem aushorchenden Heinrich; ist dies                nicht genug? Ist es von den übrigen Menschen etwa bekannt, woher sie kommen, wozu sie                eigentlich vorhanden sind, und wohin sie gehen werden? Und doch muß man brüderlich                sie sich gefallen lassen. Was ich für mich in Anspruch nehme, ist wenig mehr, als                jedem Sterblichen ohnehin eingeräumt werden muß. Möchten Sie dem, der sein eifrigstes                Bestreben dahin richtet, Ihnen nicht gleichgültig zu sein, dieses Wenige als                persönliche Gunst versagen? &#x2014; Seine Verborgenheit in London behauptete er ohne                Unterlaß. Eduard ehrte seine Geheimnisse, Heinrich gab sich dagegen alle Mühe, ihm                auf die Spur zu kommen, jedoch vergeblich. Einst suchte er Mr. Leads' Meinung über                den räthselhaften Gentleman zu erforschen. Kein Weg konnte aber weniger zum Ziele                führen. Der Gastwirth sah die Sache als Gastwirth an. Mr. Williams' Weise, die Woche                hindurch spurlos zu verschwinden, sei sonderbar, aber in Alt-England habe Jeder das                Recht, für sein Geld sonderbar zu sein. Geld habe Mr. Williams genug, und ehrlich                müsse es doch erworben sein, da er einen ehrlichen Gebrauch davon mache. Seit vier                Jahren verkehre der Gentleman auf gleiche Weise in seinem Hause und sei der                Wohlthäter der Gegend geworden. Uebrigens habe der Herr ja das beste Gut im Dorfe                ge-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0030] seine Bestimmungen ließ er nie zur Sprache kommen und machte es zur ernsten, festen Bedingung für seine Freunde, daß nie danach geforscht werde. — Ich bin da, sagte er einst dem aushorchenden Heinrich; ist dies nicht genug? Ist es von den übrigen Menschen etwa bekannt, woher sie kommen, wozu sie eigentlich vorhanden sind, und wohin sie gehen werden? Und doch muß man brüderlich sie sich gefallen lassen. Was ich für mich in Anspruch nehme, ist wenig mehr, als jedem Sterblichen ohnehin eingeräumt werden muß. Möchten Sie dem, der sein eifrigstes Bestreben dahin richtet, Ihnen nicht gleichgültig zu sein, dieses Wenige als persönliche Gunst versagen? — Seine Verborgenheit in London behauptete er ohne Unterlaß. Eduard ehrte seine Geheimnisse, Heinrich gab sich dagegen alle Mühe, ihm auf die Spur zu kommen, jedoch vergeblich. Einst suchte er Mr. Leads' Meinung über den räthselhaften Gentleman zu erforschen. Kein Weg konnte aber weniger zum Ziele führen. Der Gastwirth sah die Sache als Gastwirth an. Mr. Williams' Weise, die Woche hindurch spurlos zu verschwinden, sei sonderbar, aber in Alt-England habe Jeder das Recht, für sein Geld sonderbar zu sein. Geld habe Mr. Williams genug, und ehrlich müsse es doch erworben sein, da er einen ehrlichen Gebrauch davon mache. Seit vier Jahren verkehre der Gentleman auf gleiche Weise in seinem Hause und sei der Wohlthäter der Gegend geworden. Uebrigens habe der Herr ja das beste Gut im Dorfe ge-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T11:12:58Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T11:12:58Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heyden_john_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heyden_john_1910/30
Zitationshilfe: Heyden, Friedrich von: Der graue John. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 13. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–231. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyden_john_1910/30>, abgerufen am 25.04.2024.