[Herwegh, Georg]: Gedichte eines Lebendigen. Bd. 2. Zürich u. a., 1843.Um meine Wiege sah die Amme Schon frühe den Prophetenschein, Und in mir diese ew'ge Flamme, Sie kann, sie darf nicht Lüge sein. Bleib' du im Thal, wo dir's behagt Und grase mit den Pöbelheerden, In mir steht fest, was ich gesagt: Ich muß Geheimer-Hofrath werden! Daß unsre Wege so sich theilen,
Glaub' mir, Georg! es thut mir weh; Du gehst zum Bier: und ich derweilen Zu einem Oberappellationsgerichtsvicepräsidenten-Thee. Du hast erfüllt dein stilles Loos, Das meine liegt noch den Behörden Der dunkeln Zukunft schwer im Schooß: Ich muß Geheimer-Hofrath werden! Um meine Wiege ſah die Amme Schon frühe den Prophetenſchein, Und in mir dieſe ew'ge Flamme, Sie kann, ſie darf nicht Lüge ſein. Bleib' du im Thal, wo dir's behagt Und graſe mit den Pöbelheerden, In mir ſteht feſt, was ich geſagt: Ich muß Geheimer-Hofrath werden! Daß unſre Wege ſo ſich theilen,
Glaub' mir, Georg! es thut mir weh; Du gehſt zum Bier: und ich derweilen Zu einem Oberappellationsgerichtsvicepräſidenten-Thee. Du haſt erfüllt dein ſtilles Loos, Das meine liegt noch den Behörden Der dunkeln Zukunft ſchwer im Schooß: Ich muß Geheimer-Hofrath werden! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0068" n="58"/> <lg n="2"> <l>Um meine Wiege ſah die Amme</l><lb/> <l>Schon frühe den Prophetenſchein,</l><lb/> <l>Und in mir dieſe ew'ge Flamme,</l><lb/> <l>Sie kann, ſie darf nicht Lüge ſein.</l><lb/> <l>Bleib' du im Thal, wo dir's behagt</l><lb/> <l>Und graſe mit den Pöbelheerden,</l><lb/> <l>In mir ſteht feſt, was ich geſagt:</l><lb/> <l>Ich muß Geheimer-Hofrath werden!</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>Daß unſre Wege ſo ſich theilen,</l><lb/> <l>Glaub' mir, Georg! es thut mir weh;</l><lb/> <l>Du gehſt zum Bier: und ich derweilen</l><lb/> <l>Zu einem Oberappellationsgerichtsvicepräſidenten-Thee.</l><lb/> <l>Du haſt erfüllt dein ſtilles Loos,</l><lb/> <l>Das meine liegt noch den Behörden</l><lb/> <l>Der dunkeln Zukunft ſchwer im Schooß:</l><lb/> <l>Ich muß Geheimer-Hofrath werden!</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [58/0068]
Um meine Wiege ſah die Amme
Schon frühe den Prophetenſchein,
Und in mir dieſe ew'ge Flamme,
Sie kann, ſie darf nicht Lüge ſein.
Bleib' du im Thal, wo dir's behagt
Und graſe mit den Pöbelheerden,
In mir ſteht feſt, was ich geſagt:
Ich muß Geheimer-Hofrath werden!
Daß unſre Wege ſo ſich theilen,
Glaub' mir, Georg! es thut mir weh;
Du gehſt zum Bier: und ich derweilen
Zu einem Oberappellationsgerichtsvicepräſidenten-Thee.
Du haſt erfüllt dein ſtilles Loos,
Das meine liegt noch den Behörden
Der dunkeln Zukunft ſchwer im Schooß:
Ich muß Geheimer-Hofrath werden!
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Zitationshilfe: | [Herwegh, Georg]: Gedichte eines Lebendigen. Bd. 2. Zürich u. a., 1843, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herwegh_gedichte02_1843/68>, abgerufen am 16.07.2024. |