[Herwegh, Georg]: Gedichte eines Lebendigen. Bd. 1. Zürich u. a., 1841.XXIX. Tief, tief im Meere sprach einst eine Welle: Wie glücklich müssen meine Schwestern leben, Die droben strahlend auf und nieder schweben; O dürft' ich einmal an des Tages Helle! Wie sie gebeten, so geschah ihr schnelle, Sie durfte aus dem dunkeln Schoos sich heben; Doch kaum war ihr Ein Sonnenstrahl gegeben, Lag sie schon sterbend an des Ufers Schwelle. O mögen Alle doch ihr Schicksal loben, Die still geheim des Lebens Kreis beschreiben Und nie die Wut der offnen See erproben. O mögen sie in tiefer Nacht verbleiben, Und ihrer Keiner streben je nach oben, Um mit den Winden auf den Sand zu treiben. XXIX. Tief, tief im Meere ſprach einſt eine Welle: Wie glücklich müſſen meine Schweſtern leben, Die droben ſtrahlend auf und nieder ſchweben; O dürft' ich einmal an des Tages Helle! Wie ſie gebeten, ſo geſchah ihr ſchnelle, Sie durfte aus dem dunkeln Schoos ſich heben; Doch kaum war ihr Ein Sonnenſtrahl gegeben, Lag ſie ſchon ſterbend an des Ufers Schwelle. O mögen Alle doch ihr Schickſal loben, Die ſtill geheim des Lebens Kreis beſchreiben Und nie die Wut der offnen See erproben. O mögen ſie in tiefer Nacht verbleiben, Und ihrer Keiner ſtreben je nach oben, Um mit den Winden auf den Sand zu treiben. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0165" n="159"/> </div> </div> <div n="2"> <head> <hi rendition="#aq">XXIX.</hi><lb/> </head> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Tief, tief im Meere ſprach einſt eine Welle:</l><lb/> <l>Wie glücklich müſſen meine Schweſtern leben,</l><lb/> <l>Die droben ſtrahlend auf und nieder ſchweben;</l><lb/> <l>O dürft' ich einmal an des Tages Helle!</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Wie ſie gebeten, ſo geſchah ihr ſchnelle,</l><lb/> <l>Sie durfte aus dem dunkeln Schoos ſich heben;</l><lb/> <l>Doch kaum war ihr Ein Sonnenſtrahl gegeben,</l><lb/> <l>Lag ſie ſchon ſterbend an des Ufers Schwelle.</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>O mögen Alle doch ihr Schickſal loben,</l><lb/> <l>Die ſtill geheim des Lebens Kreis beſchreiben</l><lb/> <l>Und nie die Wut der offnen See erproben.</l><lb/> </lg> <lg n="4"> <l>O mögen ſie in tiefer Nacht verbleiben,</l><lb/> <l>Und ihrer Keiner ſtreben je nach oben,</l><lb/> <l>Um mit den Winden auf den Sand zu treiben.</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [159/0165]
XXIX.
Tief, tief im Meere ſprach einſt eine Welle:
Wie glücklich müſſen meine Schweſtern leben,
Die droben ſtrahlend auf und nieder ſchweben;
O dürft' ich einmal an des Tages Helle!
Wie ſie gebeten, ſo geſchah ihr ſchnelle,
Sie durfte aus dem dunkeln Schoos ſich heben;
Doch kaum war ihr Ein Sonnenſtrahl gegeben,
Lag ſie ſchon ſterbend an des Ufers Schwelle.
O mögen Alle doch ihr Schickſal loben,
Die ſtill geheim des Lebens Kreis beſchreiben
Und nie die Wut der offnen See erproben.
O mögen ſie in tiefer Nacht verbleiben,
Und ihrer Keiner ſtreben je nach oben,
Um mit den Winden auf den Sand zu treiben.
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Zitationshilfe: | [Herwegh, Georg]: Gedichte eines Lebendigen. Bd. 1. Zürich u. a., 1841, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herwegh_gedichte01_1841/165>, abgerufen am 03.07.2024. |