Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Herwegh, Georg]: Gedichte eines Lebendigen. Bd. 1. Zürich u. a., 1841.

Bild:
<< vorherige Seite
VII.
Nie wurden noch der Sylben mehr gemessen,
Und glaubt man unserm kritischen Gelichter,
So wäre schier der dritte Mann ein Dichter
Von Thule bis zum Lande der Tscherkessen.
Und Alle nur auf eitel Ruhm versessen,
Ein jeglicher Poet begehret, spricht er
Zwei Verse nur, gleich Publikum und Richter,
Und würd' sein Pfeifen anders bald vergessen.
Doch mir däucht nur ein Dichter, der noch sänge,
Der seinen Wohllaut noch verströmen müßte,
Wo keines Menschen Stimme zu ihm dränge:
Im stillen Meer an unwirtbarer Küste --
Zuhörer nur die wilden Felsenhänge --
Und in Arabiens grauenvoller Wüste.
VII.
Nie wurden noch der Sylben mehr gemeſſen,
Und glaubt man unſerm kritiſchen Gelichter,
So wäre ſchier der dritte Mann ein Dichter
Von Thule bis zum Lande der Tſcherkeſſen.
Und Alle nur auf eitel Ruhm verſeſſen,
Ein jeglicher Poet begehret, ſpricht er
Zwei Verſe nur, gleich Publikum und Richter,
Und würd' ſein Pfeifen anders bald vergeſſen.
Doch mir däucht nur ein Dichter, der noch ſänge,
Der ſeinen Wohllaut noch verſtrömen müßte,
Wo keines Menſchen Stimme zu ihm dränge:
Im ſtillen Meer an unwirtbarer Küſte —
Zuhörer nur die wilden Felſenhänge —
Und in Arabiens grauenvoller Wüſte.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0143" n="137"/>
        </div>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#aq">VII.</hi><lb/>
          </head>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Nie wurden noch der Sylben mehr geme&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
              <l>Und glaubt man un&#x017F;erm kriti&#x017F;chen Gelichter,</l><lb/>
              <l>So wäre &#x017F;chier der dritte Mann ein Dichter</l><lb/>
              <l>Von Thule bis zum Lande der T&#x017F;cherke&#x017F;&#x017F;en.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="2">
              <l>Und Alle nur auf eitel Ruhm ver&#x017F;e&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
              <l>Ein jeglicher Poet begehret, &#x017F;pricht er</l><lb/>
              <l>Zwei Ver&#x017F;e nur, gleich Publikum und Richter,</l><lb/>
              <l>Und würd' &#x017F;ein Pfeifen anders bald verge&#x017F;&#x017F;en.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="3">
              <l>Doch mir däucht nur ein Dichter, der noch &#x017F;änge,</l><lb/>
              <l>Der &#x017F;einen Wohllaut noch ver&#x017F;trömen müßte,</l><lb/>
              <l>Wo keines Men&#x017F;chen Stimme zu ihm dränge:</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="4">
              <l>Im &#x017F;tillen Meer an unwirtbarer Kü&#x017F;te &#x2014;</l><lb/>
              <l>Zuhörer nur die wilden Fel&#x017F;enhänge &#x2014;</l><lb/>
              <l>Und in Arabiens grauenvoller Wü&#x017F;te.</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[137/0143] VII. Nie wurden noch der Sylben mehr gemeſſen, Und glaubt man unſerm kritiſchen Gelichter, So wäre ſchier der dritte Mann ein Dichter Von Thule bis zum Lande der Tſcherkeſſen. Und Alle nur auf eitel Ruhm verſeſſen, Ein jeglicher Poet begehret, ſpricht er Zwei Verſe nur, gleich Publikum und Richter, Und würd' ſein Pfeifen anders bald vergeſſen. Doch mir däucht nur ein Dichter, der noch ſänge, Der ſeinen Wohllaut noch verſtrömen müßte, Wo keines Menſchen Stimme zu ihm dränge: Im ſtillen Meer an unwirtbarer Küſte — Zuhörer nur die wilden Felſenhänge — Und in Arabiens grauenvoller Wüſte.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herwegh_gedichte01_1841
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herwegh_gedichte01_1841/143
Zitationshilfe: [Herwegh, Georg]: Gedichte eines Lebendigen. Bd. 1. Zürich u. a., 1841, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herwegh_gedichte01_1841/143>, abgerufen am 23.11.2024.