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[Herder, Johann Gottfried von]: Plastik. Riga u. a., 1778.

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wäre es aus weichem Ton geblasen, und die Wa-
de des Fußes weder hangend und angeklebet noch
dürftig; ein strebender Muskel voll Jugendtritt
und Stärke. Der Fuß endlich, belebt bis zum
kleinsten Gliede, nicht losgetrennt vom Ganzen
und etwa als der Schuh eines Gewürmes ange-
zogen, sondern Eins mit Allem, das Ganze
auf ihn hinabfließend und er das Ganze tragend.
Und wie die Schenkel zu Marmorsäulen, so
wand Mutter Natur, die Arme zu zarten Cy-
lindern und umschlang sie mit dem ersten Braut-
kranz der Liebe. Und schonte die Spitze des
Bogens, und ließ am Weibe die Hand sanft
hinabfließen, in kleine Cylinder. Und bepol-
sterte sie von innen in jedem sammetnen Mäus-
chen und in jedem Blumenbusche der Fühlbar-
keit, der auf Gefühl wartet, mit dem ersten
Druck der Liebe. Und machte jedes Glied wäch-
sern und beweglich und regsam, den Finger fast
zu einem Sonnenstral, und die Milchgewasche-
ne Höhe der Hand zum ungetheilten und Glie-
dervollen Hügel voll Rege, voll umfassenden Le-
bens. Und wie der Arm des Mannes strebet!
Muskeln seine Siegskränze und Nerven seine
Bande der Liebe. -- Mächtig und frey gehn
sie von den Schultern hervor, die Werkzeuge
der Kunst und Waffen der Tugend. Sie sind
da die Brust zu schützen, Geliebte, Freund und

Vater-

waͤre es aus weichem Ton geblaſen, und die Wa-
de des Fußes weder hangend und angeklebet noch
duͤrftig; ein ſtrebender Muskel voll Jugendtritt
und Staͤrke. Der Fuß endlich, belebt bis zum
kleinſten Gliede, nicht losgetrennt vom Ganzen
und etwa als der Schuh eines Gewuͤrmes ange-
zogen, ſondern Eins mit Allem, das Ganze
auf ihn hinabfließend und er das Ganze tragend.
Und wie die Schenkel zu Marmorſaͤulen, ſo
wand Mutter Natur, die Arme zu zarten Cy-
lindern und umſchlang ſie mit dem erſten Braut-
kranz der Liebe. Und ſchonte die Spitze des
Bogens, und ließ am Weibe die Hand ſanft
hinabfließen, in kleine Cylinder. Und bepol-
ſterte ſie von innen in jedem ſammetnen Maͤus-
chen und in jedem Blumenbuſche der Fuͤhlbar-
keit, der auf Gefuͤhl wartet, mit dem erſten
Druck der Liebe. Und machte jedes Glied waͤch-
ſern und beweglich und regſam, den Finger faſt
zu einem Sonnenſtral, und die Milchgewaſche-
ne Hoͤhe der Hand zum ungetheilten und Glie-
dervollen Huͤgel voll Rege, voll umfaſſenden Le-
bens. Und wie der Arm des Mannes ſtrebet!
Muskeln ſeine Siegskraͤnze und Nerven ſeine
Bande der Liebe. — Maͤchtig und frey gehn
ſie von den Schultern hervor, die Werkzeuge
der Kunſt und Waffen der Tugend. Sie ſind
da die Bruſt zu ſchuͤtzen, Geliebte, Freund und

Vater-
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[88/0091] waͤre es aus weichem Ton geblaſen, und die Wa- de des Fußes weder hangend und angeklebet noch duͤrftig; ein ſtrebender Muskel voll Jugendtritt und Staͤrke. Der Fuß endlich, belebt bis zum kleinſten Gliede, nicht losgetrennt vom Ganzen und etwa als der Schuh eines Gewuͤrmes ange- zogen, ſondern Eins mit Allem, das Ganze auf ihn hinabfließend und er das Ganze tragend. Und wie die Schenkel zu Marmorſaͤulen, ſo wand Mutter Natur, die Arme zu zarten Cy- lindern und umſchlang ſie mit dem erſten Braut- kranz der Liebe. Und ſchonte die Spitze des Bogens, und ließ am Weibe die Hand ſanft hinabfließen, in kleine Cylinder. Und bepol- ſterte ſie von innen in jedem ſammetnen Maͤus- chen und in jedem Blumenbuſche der Fuͤhlbar- keit, der auf Gefuͤhl wartet, mit dem erſten Druck der Liebe. Und machte jedes Glied waͤch- ſern und beweglich und regſam, den Finger faſt zu einem Sonnenſtral, und die Milchgewaſche- ne Hoͤhe der Hand zum ungetheilten und Glie- dervollen Huͤgel voll Rege, voll umfaſſenden Le- bens. Und wie der Arm des Mannes ſtrebet! Muskeln ſeine Siegskraͤnze und Nerven ſeine Bande der Liebe. — Maͤchtig und frey gehn ſie von den Schultern hervor, die Werkzeuge der Kunſt und Waffen der Tugend. Sie ſind da die Bruſt zu ſchuͤtzen, Geliebte, Freund und Vater-

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Zitationshilfe: [Herder, Johann Gottfried von]: Plastik. Riga u. a., 1778, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_plastik_1778/91>, abgerufen am 21.11.2024.