Keine widrigen Attribute, keine Binde z. E. um den Mund, da der tastende Sinn statt Mundes ein Maultuch findet, keine Hunds- und Hirsch- köpfe, als Allegorien und Embleme, selbst die nothwendigsten Attribute so abgetrennet und abge- setzt, als möglich. Herkules Löwenhaut ist nicht um ihn, höchstens um seinen Arm geschlun- gen, oder Er selbst statt Löwenfelles und Löwens. Die Göttin der Liebe ohne drückende Attribute: sie selbst ist Göttin der Liebe, in nackte Reize ge- kleidet. Den Laokoon haben die Drachen um- schlungen, aber nicht wie's Virgil beschreibet, daß er um Hals und Brust und Bein dreimal umwunden, dem Gefühl des Nichtsehenden mit ihnen zusammengewachsen, ein grauser Menschen- und Schlangenkörper erscheine. Er strebt nur mit Füßen und Händen und auch von diesen ist sein linker Arm frei und fasset den Drachen. So Er und seine Kinder: Vater und Sie sind Ein Geschlecht, die Drachen sind ihre Feinde, die sie jetzt nur alle zu Einem bin- den. -- Auch an kleinen Theilen des Körpers (meistens verstümmelt oder gar nicht zu uns ge- kommen), sind die Attribute abgesetzt, bestimmt und deutlich. Die Gestalt der Götter und Göt- tinnen war den alten Künstlern so bestimmt, daß keine Attribute nöthig waren, und außer ihnen war den Bildsäulen meistens nur die älteste Hel-
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Keine widrigen Attribute, keine Binde z. E. um den Mund, da der taſtende Sinn ſtatt Mundes ein Maultuch findet, keine Hunds- und Hirſch- koͤpfe, als Allegorien und Embleme, ſelbſt die nothwendigſten Attribute ſo abgetrennet und abge- ſetzt, als moͤglich. Herkules Loͤwenhaut iſt nicht um ihn, hoͤchſtens um ſeinen Arm geſchlun- gen, oder Er ſelbſt ſtatt Loͤwenfelles und Loͤwens. Die Goͤttin der Liebe ohne druͤckende Attribute: ſie ſelbſt iſt Goͤttin der Liebe, in nackte Reize ge- kleidet. Den Laokoon haben die Drachen um- ſchlungen, aber nicht wie’s Virgil beſchreibet, daß er um Hals und Bruſt und Bein dreimal umwunden, dem Gefuͤhl des Nichtſehenden mit ihnen zuſammengewachſen, ein grauſer Menſchen- und Schlangenkoͤrper erſcheine. Er ſtrebt nur mit Fuͤßen und Haͤnden und auch von dieſen iſt ſein linker Arm frei und faſſet den Drachen. So Er und ſeine Kinder: Vater und Sie ſind Ein Geſchlecht, die Drachen ſind ihre Feinde, die ſie jetzt nur alle zu Einem bin- den. — Auch an kleinen Theilen des Koͤrpers (meiſtens verſtuͤmmelt oder gar nicht zu uns ge- kommen), ſind die Attribute abgeſetzt, beſtimmt und deutlich. Die Geſtalt der Goͤtter und Goͤt- tinnen war den alten Kuͤnſtlern ſo beſtimmt, daß keine Attribute noͤthig waren, und außer ihnen war den Bildſaͤulen meiſtens nur die aͤlteſte Hel-
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Keine widrigen Attribute, keine Binde z. E. um
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nicht um ihn, hoͤchſtens um ſeinen Arm geſchlun-
gen, oder Er ſelbſt ſtatt Loͤwenfelles und Loͤwens.
Die Goͤttin der Liebe ohne druͤckende Attribute:
ſie ſelbſt iſt Goͤttin der Liebe, in nackte Reize ge-
kleidet. Den Laokoon haben die Drachen um-
ſchlungen, aber nicht wie’s Virgil beſchreibet,
daß er um Hals und Bruſt und Bein dreimal
umwunden, dem Gefuͤhl des Nichtſehenden
mit ihnen zuſammengewachſen, ein grauſer
Menſchen- und Schlangenkoͤrper erſcheine. Er
ſtrebt nur mit Fuͤßen und Haͤnden und auch
von dieſen iſt ſein linker Arm frei und faſſet den
Drachen. So Er und ſeine Kinder: Vater
und Sie ſind Ein Geſchlecht, die Drachen ſind
ihre Feinde, die ſie jetzt nur alle zu Einem bin-
den. — Auch an kleinen Theilen des Koͤrpers
(meiſtens verſtuͤmmelt oder gar nicht zu uns ge-
kommen), ſind die Attribute abgeſetzt, beſtimmt
und deutlich. Die Geſtalt der Goͤtter und Goͤt-
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[Herder, Johann Gottfried von]: Plastik. Riga u. a., 1778, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_plastik_1778/62>, abgerufen am 27.07.2024.
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