net, Umfang und Fülle beschränkt hat. Sie goß die Seele in ein tausendfach organisirtes aber sehr einfach begränztes, leicht zu umfassendes Maas, und machte Punkte der Vereinigung, wo und wie oft, und auf wie zarterer Stelle sie sie machen konnte. So findet Auge das Auge, so drückt sich Mund an Mund und Brust an Brust, und blickt und saugt in sich Othem der Liebe. Man verrücke die Züge des Gesichts, man verpflanze und wechsle Glieder; mit und ohne Auge muß man grausen, wie immer die kleinste Mißbildung zeiget. Was wir in der Optik und in den anordnenden Künsten überhaupt von feinen Ge- setzen des Wohlstandes und der Wohlgestalt des Eben- und Unebenmaaßes entdecken werden, findet sein größtes Vorbild in dem edeln Werke, das überall, wie es scheint, der großen Mutter Liebling und Augenmerk war, in der Menschen- gestalt und Menschenschöne.
Fünfter
net, Umfang und Fuͤlle beſchraͤnkt hat. Sie goß die Seele in ein tauſendfach organiſirtes aber ſehr einfach begraͤnztes, leicht zu umfaſſendes Maas, und machte Punkte der Vereinigung, wo und wie oft, und auf wie zarterer Stelle ſie ſie machen konnte. So findet Auge das Auge, ſo druͤckt ſich Mund an Mund und Bruſt an Bruſt, und blickt und ſaugt in ſich Othem der Liebe. Man verruͤcke die Zuͤge des Geſichts, man verpflanze und wechsle Glieder; mit und ohne Auge muß man grauſen, wie immer die kleinſte Mißbildung zeiget. Was wir in der Optik und in den anordnenden Kuͤnſten uͤberhaupt von feinen Ge- ſetzen des Wohlſtandes und der Wohlgeſtalt des Eben- und Unebenmaaßes entdecken werden, findet ſein groͤßtes Vorbild in dem edeln Werke, das uͤberall, wie es ſcheint, der großen Mutter Liebling und Augenmerk war, in der Menſchen- geſtalt und Menſchenſchoͤne.
Fuͤnfter
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net, Umfang und Fuͤlle beſchraͤnkt hat. Sie goß
die Seele in ein tauſendfach organiſirtes aber ſehr
einfach begraͤnztes, leicht zu umfaſſendes Maas,
und machte Punkte der Vereinigung, wo und wie
oft, und auf wie zarterer Stelle ſie ſie machen
konnte. So findet Auge das Auge, ſo druͤckt
ſich Mund an Mund und Bruſt an Bruſt, und
blickt und ſaugt in ſich Othem der Liebe. Man
verruͤcke die Zuͤge des Geſichts, man verpflanze
und wechsle Glieder; mit und ohne Auge muß
man grauſen, wie immer die kleinſte Mißbildung
zeiget. Was wir in der Optik und in den
anordnenden Kuͤnſten uͤberhaupt von feinen Ge-
ſetzen des Wohlſtandes und der Wohlgeſtalt
des Eben- und Unebenmaaßes entdecken werden,
findet ſein groͤßtes Vorbild in dem edeln Werke,
das uͤberall, wie es ſcheint, der großen Mutter
Liebling und Augenmerk war, in der Menſchen-
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[Herder, Johann Gottfried von]: Plastik. Riga u. a., 1778, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_plastik_1778/115>, abgerufen am 27.07.2024.
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