sie so viel, viel gewürkt! -- Allemal die sonderbarste Begebenheit der Welt!
Da wars doch nun gewiß ein großes und sehenswürdiges Schauspiel, wie unter Julian die beyden berühmtesten Religionen, die äl- teste heidnische und die neuere christliche um nichts weniger als Herrschaft der Welt strit- ten. Religion -- das sahe Er und Jeder- mann! -- Religion in aller Stärke des Worts, war seinem verfallnen Jahrhunderte unentbehrlich. Griechische Mythologie und römische Staatseeremonie -- das sahe Er ebenfalls! -- war dem Jahrhunderte zu sei- nen Zwecken nicht zureichend. Er grif also zu allem, wozu er konnte; zur kräftigsten und ältesten Religion, die er kannte, zur Reli- gion des Morgenlandes -- regte in ihr alle Wunderkräfte, Zaubereyen und Erscheinun- gen auf, daß sie ganz Theurgie ward, nahm so viel er konnte, Philosophie, Pythagorism und Platonifm zu Hülfe, um allem den fein- sten Anstrich der Vernunft zu geben -- setzte alles auf den Triumphwagen des größten Gepränges, von den zwey unbändigsten Thie- ren, Gewalt und Schwärmerey gezogen, von der feinsten Staatskunst gelenkt -- alles
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ſie ſo viel, viel gewuͤrkt! — Allemal die ſonderbarſte Begebenheit der Welt!
Da wars doch nun gewiß ein großes und ſehenswuͤrdiges Schauſpiel, wie unter Julian die beyden beruͤhmteſten Religionen, die aͤl- teſte heidniſche und die neuere chriſtliche um nichts weniger als Herrſchaft der Welt ſtrit- ten. Religion — das ſahe Er und Jeder- mann! — Religion in aller Staͤrke des Worts, war ſeinem verfallnen Jahrhunderte unentbehrlich. Griechiſche Mythologie und roͤmiſche Staatseeremonie — das ſahe Er ebenfalls! — war dem Jahrhunderte zu ſei- nen Zwecken nicht zureichend. Er grif alſo zu allem, wozu er konnte; zur kraͤftigſten und aͤlteſten Religion, die er kannte, zur Reli- gion des Morgenlandes — regte in ihr alle Wunderkraͤfte, Zaubereyen und Erſcheinun- gen auf, daß ſie ganz Theurgie ward, nahm ſo viel er konnte, Philoſophie, Pythagoriſm und Platonifm zu Huͤlfe, um allem den fein- ſten Anſtrich der Vernunft zu geben — ſetzte alles auf den Triumphwagen des groͤßten Gepraͤnges, von den zwey unbaͤndigſten Thie- ren, Gewalt und Schwaͤrmerey gezogen, von der feinſten Staatskunſt gelenkt — alles
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ſie ſo viel, viel gewuͤrkt! — Allemal die
ſonderbarſte Begebenheit der Welt!
Da wars doch nun gewiß ein großes und
ſehenswuͤrdiges Schauſpiel, wie unter Julian
die beyden beruͤhmteſten Religionen, die aͤl-
teſte heidniſche und die neuere chriſtliche um
nichts weniger als Herrſchaft der Welt ſtrit-
ten. Religion — das ſahe Er und Jeder-
mann! — Religion in aller Staͤrke des
Worts, war ſeinem verfallnen Jahrhunderte
unentbehrlich. Griechiſche Mythologie und
roͤmiſche Staatseeremonie — das ſahe Er
ebenfalls! — war dem Jahrhunderte zu ſei-
nen Zwecken nicht zureichend. Er grif alſo
zu allem, wozu er konnte; zur kraͤftigſten und
aͤlteſten Religion, die er kannte, zur Reli-
gion des Morgenlandes — regte in ihr alle
Wunderkraͤfte, Zaubereyen und Erſcheinun-
gen auf, daß ſie ganz Theurgie ward, nahm
ſo viel er konnte, Philoſophie, Pythagoriſm
und Platonifm zu Huͤlfe, um allem den fein-
ſten Anſtrich der Vernunft zu geben — ſetzte
alles auf den Triumphwagen des groͤßten
Gepraͤnges, von den zwey unbaͤndigſten Thie-
ren, Gewalt und Schwaͤrmerey gezogen,
von der feinſten Staatskunſt gelenkt — alles
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[Herder, Johann Gottfried von]: Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit. [Riga], 1774, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_philosophie_1774/75>, abgerufen am 16.02.2025.
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