Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Herder, Johann Gottfried von]: Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit. [Riga], 1774.

Bild:
<< vorherige Seite


Es ist zum Theil genug entwickelt, was für
Umstände zu dieser einzigen Produktion des
Menschengeschlechts beygetragen, und ich setze
diese Umstände nur ins Größere der allgemei-
nen Berbindung von Zeitläuften und Völ-
kern.
Siehe dies schöne griechische Klima
und in ihm das wohlgebildete Menschenge-
schlecht
mit freyer Stirn und feinen Sinnen --
ein rechtes Zwischenland der Kultur, wo aus
zwey Enden
alles zusammen floß, was sie so
leicht und edel verwandelten! die schöne Braut
wurde von zweyen Knaben bedient zur Rech-
ten und Linken, sie that nur schön idealisi-
ren; eben die Mischung
phönicischer und
ägyptischer Denkart, deren einer der an-
dern ihr Nationelles und ihren eckichten Ei-
gensinn benahm, formte den griechischen Kopf
zum Jdeal, zur Freyheit. Jetzt die sonder-
baren Anlässe
ihrer Theilung und Vereinigun-
gen
von den frühesten Zeiten her: ihre Ab-
trennung
in Völker, Republiken, Kolonien,
und doch der gemeinschaftliche Geist dersel-
ben; Gefühl einer Nation, eines Vater-
lands, einer Sprache!
-- Die besondern
Gelegenheiten zu Bildung dieses Allgemein-
geists,
vom Zuge der Argonauten, und dem
Feldzuge gegen Troja an, bis zu den Siegen

gegen
C 2


Es iſt zum Theil genug entwickelt, was fuͤr
Umſtaͤnde zu dieſer einzigen Produktion des
Menſchengeſchlechts beygetragen, und ich ſetze
dieſe Umſtaͤnde nur ins Groͤßere der allgemei-
nen Berbindung von Zeitlaͤuften und Voͤl-
kern.
Siehe dies ſchoͤne griechiſche Klima
und in ihm das wohlgebildete Menſchenge-
ſchlecht
mit freyer Stirn und feinen Sinnen —
ein rechtes Zwiſchenland der Kultur, wo aus
zwey Enden
alles zuſammen floß, was ſie ſo
leicht und edel verwandelten! die ſchoͤne Braut
wurde von zweyen Knaben bedient zur Rech-
ten und Linken, ſie that nur ſchoͤn idealiſi-
ren; eben die Miſchung
phoͤniciſcher und
aͤgyptiſcher Denkart, deren einer der an-
dern ihr Nationelles und ihren eckichten Ei-
genſinn benahm, formte den griechiſchen Kopf
zum Jdeal, zur Freyheit. Jetzt die ſonder-
baren Anlaͤſſe
ihrer Theilung und Vereinigun-
gen
von den fruͤheſten Zeiten her: ihre Ab-
trennung
in Voͤlker, Republiken, Kolonien,
und doch der gemeinſchaftliche Geiſt derſel-
ben; Gefuͤhl einer Nation, eines Vater-
lands, einer Sprache!
— Die beſondern
Gelegenheiten zu Bildung dieſes Allgemein-
geiſts,
vom Zuge der Argonauten, und dem
Feldzuge gegen Troja an, bis zu den Siegen

gegen
C 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0039" n="35"/>
          <fw place="top" type="header">
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </fw>
          <p>Es i&#x017F;t zum Theil genug entwickelt, was fu&#x0364;r<lb/>
Um&#x017F;ta&#x0364;nde zu die&#x017F;er einzigen Produktion des<lb/>
Men&#x017F;chenge&#x017F;chlechts beygetragen, und ich &#x017F;etze<lb/>
die&#x017F;e Um&#x017F;ta&#x0364;nde nur <hi rendition="#b">ins Gro&#x0364;ßere der allgemei-<lb/>
nen Berbindung von Zeitla&#x0364;uften und Vo&#x0364;l-<lb/>
kern.</hi> Siehe dies &#x017F;cho&#x0364;ne griechi&#x017F;che <hi rendition="#b">Klima</hi><lb/>
und in ihm das <hi rendition="#b">wohlgebildete Men&#x017F;chenge-<lb/>
&#x017F;chlecht</hi> mit freyer Stirn und feinen Sinnen &#x2014;<lb/>
ein rechtes <hi rendition="#b">Zwi&#x017F;chenland</hi> der <hi rendition="#b">Kultur,</hi> wo <hi rendition="#b">aus<lb/>
zwey Enden</hi> alles zu&#x017F;ammen floß, was &#x017F;ie &#x017F;o<lb/>
leicht und edel verwandelten! die &#x017F;cho&#x0364;ne Braut<lb/>
wurde von zweyen Knaben bedient zur Rech-<lb/>
ten und Linken, &#x017F;ie that nur <hi rendition="#b">&#x017F;cho&#x0364;n ideali&#x017F;i-<lb/>
ren; eben die Mi&#x017F;chung</hi> pho&#x0364;nici&#x017F;cher und<lb/>
a&#x0364;gypti&#x017F;cher <hi rendition="#b">Denkart,</hi> deren einer der an-<lb/>
dern ihr Nationelles und ihren eckichten Ei-<lb/>
gen&#x017F;inn <hi rendition="#b">benahm,</hi> formte den griechi&#x017F;chen Kopf<lb/>
zum <hi rendition="#b">Jdeal,</hi> zur <hi rendition="#b">Freyheit.</hi> Jetzt die <hi rendition="#b">&#x017F;onder-<lb/>
baren Anla&#x0364;&#x017F;&#x017F;e</hi> ihrer <hi rendition="#b">Theilung</hi> und <hi rendition="#b">Vereinigun-<lb/>
gen</hi> von den fru&#x0364;he&#x017F;ten Zeiten her: ihre <hi rendition="#b">Ab-<lb/>
trennung</hi> in Vo&#x0364;lker, <hi rendition="#b">Republiken, Kolonien,</hi><lb/>
und doch der <hi rendition="#b">gemein&#x017F;chaftliche Gei&#x017F;t</hi> der&#x017F;el-<lb/>
ben; <hi rendition="#b">Gefu&#x0364;hl einer Nation, eines Vater-<lb/>
lands, einer Sprache!</hi> &#x2014; Die be&#x017F;ondern<lb/><hi rendition="#b">Gelegenheiten</hi> zu Bildung die&#x017F;es <hi rendition="#b">Allgemein-<lb/>
gei&#x017F;ts,</hi> vom Zuge der <hi rendition="#b">Argonauten,</hi> und dem<lb/><hi rendition="#b">Feldzuge gegen Troja</hi> an, bis zu den Siegen<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">C 2</fw><fw place="bottom" type="catch">gegen</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[35/0039] Es iſt zum Theil genug entwickelt, was fuͤr Umſtaͤnde zu dieſer einzigen Produktion des Menſchengeſchlechts beygetragen, und ich ſetze dieſe Umſtaͤnde nur ins Groͤßere der allgemei- nen Berbindung von Zeitlaͤuften und Voͤl- kern. Siehe dies ſchoͤne griechiſche Klima und in ihm das wohlgebildete Menſchenge- ſchlecht mit freyer Stirn und feinen Sinnen — ein rechtes Zwiſchenland der Kultur, wo aus zwey Enden alles zuſammen floß, was ſie ſo leicht und edel verwandelten! die ſchoͤne Braut wurde von zweyen Knaben bedient zur Rech- ten und Linken, ſie that nur ſchoͤn idealiſi- ren; eben die Miſchung phoͤniciſcher und aͤgyptiſcher Denkart, deren einer der an- dern ihr Nationelles und ihren eckichten Ei- genſinn benahm, formte den griechiſchen Kopf zum Jdeal, zur Freyheit. Jetzt die ſonder- baren Anlaͤſſe ihrer Theilung und Vereinigun- gen von den fruͤheſten Zeiten her: ihre Ab- trennung in Voͤlker, Republiken, Kolonien, und doch der gemeinſchaftliche Geiſt derſel- ben; Gefuͤhl einer Nation, eines Vater- lands, einer Sprache! — Die beſondern Gelegenheiten zu Bildung dieſes Allgemein- geiſts, vom Zuge der Argonauten, und dem Feldzuge gegen Troja an, bis zu den Siegen gegen C 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_philosophie_1774
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_philosophie_1774/39
Zitationshilfe: [Herder, Johann Gottfried von]: Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit. [Riga], 1774, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_philosophie_1774/39>, abgerufen am 23.11.2024.