Welt und Nachwelt! Ewiger Sokrates, würkend und nicht blos die todte Busse mit Pappellaube bekränzt wie wirs Unsterblichkeit nennen! Jener sprach anschaulich, lebendig, im engen Bezirke: und sein Wort fand eine so gute Stelle. -- Xenophon und Plato dichte- ten ihn in ihre Denkbücher und Gespräche: es waren nur Manuscripte, zum Glück für uns, besser als hundert andre, dem wegschwem- menden Strom der Zeit entronnen. Was du schreibst, sollte Wort für Wort, Welt und Ewigkeit werth seyn, weil du, (wenigstens Materialien und Möglichkeit nach,) für Welt und Ewigkeit schreibest. Jn wessen Hand kann deine Schrift kommen! im Kreise, wie wür- diger Männer und Richter solltest du reden! Tugend lehren, in dem Lichte und Klarheit, wies Sokrates in seinem Alter noch nicht konnte! zur Menschenliebe anmuntern, die, wenn sie seyn könnte, wahrhaftig mehr als Vater- lands- und Bürgerliebe wäre! Glückselig- keit auch in Zuständen, auch unter Situatio- nen, verbreiten, wie jene mit den dreyßig Heilanden des Vaterlands, denen auch ihre Statuen gesetzt waren, kaum seyn mochten -- Sokrates der Menschheit!
Leh-
Welt und Nachwelt! Ewiger Sokrates, wuͤrkend und nicht blos die todte Buſſe mit Pappellaube bekraͤnzt wie wirs Unſterblichkeit nennen! Jener ſprach anſchaulich, lebendig, im engen Bezirke: und ſein Wort fand eine ſo gute Stelle. — Xenophon und Plato dichte- ten ihn in ihre Denkbuͤcher und Geſpraͤche: es waren nur Manuſcripte, zum Gluͤck fuͤr uns, beſſer als hundert andre, dem wegſchwem- menden Strom der Zeit entronnen. Was du ſchreibſt, ſollte Wort fuͤr Wort, Welt und Ewigkeit werth ſeyn, weil du, (wenigſtens Materialien und Moͤglichkeit nach,) fuͤr Welt und Ewigkeit ſchreibeſt. Jn weſſen Hand kann deine Schrift kommen! im Kreiſe, wie wuͤr- diger Maͤnner und Richter ſollteſt du reden! Tugend lehren, in dem Lichte und Klarheit, wies Sokrates in ſeinem Alter noch nicht konnte! zur Menſchenliebe anmuntern, die, wenn ſie ſeyn koͤnnte, wahrhaftig mehr als Vater- lands- und Buͤrgerliebe waͤre! Gluͤckſelig- keit auch in Zuſtaͤnden, auch unter Situatio- nen, verbreiten, wie jene mit den dreyßig Heilanden des Vaterlands, denen auch ihre Statuen geſetzt waren, kaum ſeyn mochten — Sokrates der Menſchheit!
Leh-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0163"n="159"/><fwplace="top"type="header"><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/></fw><p><hirendition="#b">Welt</hi> und <hirendition="#b">Nachwelt! Ewiger Sokrates,<lb/>
wuͤrkend</hi> und nicht blos die <hirendition="#b">todte Buſſe</hi> mit<lb/>
Pappellaube bekraͤnzt wie wirs <hirendition="#b">Unſterblichkeit</hi><lb/>
nennen! Jener ſprach anſchaulich, lebendig,<lb/>
im engen Bezirke: und ſein Wort fand eine ſo<lb/>
gute Stelle. —<hirendition="#b">Xenophon</hi> und <hirendition="#b">Plato</hi> dichte-<lb/>
ten ihn in ihre <hirendition="#b">Denkbuͤcher</hi> und <hirendition="#b">Geſpraͤche:</hi><lb/>
es waren nur <hirendition="#b">Manuſcripte,</hi> zum Gluͤck fuͤr<lb/>
uns, beſſer als hundert andre, dem wegſchwem-<lb/>
menden Strom der Zeit entronnen. Was du<lb/>ſchreibſt, ſollte Wort fuͤr Wort, <hirendition="#b">Welt und<lb/>
Ewigkeit werth ſeyn,</hi> weil du, (wenigſtens<lb/>
Materialien und Moͤglichkeit nach,) <hirendition="#b">fuͤr Welt<lb/>
und Ewigkeit ſchreibeſt.</hi> Jn weſſen Hand<lb/>
kann deine Schrift kommen! im Kreiſe, wie wuͤr-<lb/>
diger <hirendition="#b">Maͤnner</hi> und <hirendition="#b">Richter</hi>ſollteſt du reden!<lb/>
Tugend lehren, in dem Lichte und Klarheit, wies<lb/>
Sokrates in ſeinem Alter noch nicht konnte!<lb/>
zur Menſchenliebe anmuntern, die, wenn ſie<lb/>ſeyn koͤnnte, <hirendition="#b">wahrhaftig mehr</hi> als <hirendition="#b">Vater-<lb/>
lands-</hi> und <hirendition="#b">Buͤrgerliebe</hi> waͤre! Gluͤckſelig-<lb/>
keit auch in Zuſtaͤnden, auch unter <hirendition="#b">Situatio-<lb/>
nen,</hi> verbreiten, wie jene mit den dreyßig<lb/><hirendition="#b">Heilanden</hi> des Vaterlands, denen auch <hirendition="#b">ihre<lb/>
Statuen</hi> geſetzt waren, kaum ſeyn mochten —<lb/><hirendition="#b">Sokrates der Menſchheit!</hi></p><lb/><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#b">Leh-</hi></fw><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[159/0163]
Welt und Nachwelt! Ewiger Sokrates,
wuͤrkend und nicht blos die todte Buſſe mit
Pappellaube bekraͤnzt wie wirs Unſterblichkeit
nennen! Jener ſprach anſchaulich, lebendig,
im engen Bezirke: und ſein Wort fand eine ſo
gute Stelle. — Xenophon und Plato dichte-
ten ihn in ihre Denkbuͤcher und Geſpraͤche:
es waren nur Manuſcripte, zum Gluͤck fuͤr
uns, beſſer als hundert andre, dem wegſchwem-
menden Strom der Zeit entronnen. Was du
ſchreibſt, ſollte Wort fuͤr Wort, Welt und
Ewigkeit werth ſeyn, weil du, (wenigſtens
Materialien und Moͤglichkeit nach,) fuͤr Welt
und Ewigkeit ſchreibeſt. Jn weſſen Hand
kann deine Schrift kommen! im Kreiſe, wie wuͤr-
diger Maͤnner und Richter ſollteſt du reden!
Tugend lehren, in dem Lichte und Klarheit, wies
Sokrates in ſeinem Alter noch nicht konnte!
zur Menſchenliebe anmuntern, die, wenn ſie
ſeyn koͤnnte, wahrhaftig mehr als Vater-
lands- und Buͤrgerliebe waͤre! Gluͤckſelig-
keit auch in Zuſtaͤnden, auch unter Situatio-
nen, verbreiten, wie jene mit den dreyßig
Heilanden des Vaterlands, denen auch ihre
Statuen geſetzt waren, kaum ſeyn mochten —
Sokrates der Menſchheit!
Leh-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Herder, Johann Gottfried von]: Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit. [Riga], 1774, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_philosophie_1774/163>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.