[Herder, Johann Gottfried von]: Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit. [Riga], 1774.veränderten Natur dazu fehlten. Griechen- wissenschaften, die die Römer an sich zogen, wurden römisch: Aristoteles ein Araber und Scholasticker: und mit den Griechen und Römern der neuen Zeiten -- welche elende Sache! Marsilius, du bist Plato? Lipsius, du Zeno? wo sind deine Stoiker? deine Helden, die dort so viel thaten? Alle ihr neuen Homere, Redner und Künstler -- wo ist eure Welt der Wunder? Auch in kein Land hat die Bildung ihren und
veraͤnderten Natur dazu fehlten. Griechen- wiſſenſchaften, die die Roͤmer an ſich zogen, wurden roͤmiſch: Ariſtoteles ein Araber und Scholaſticker: und mit den Griechen und Roͤmern der neuen Zeiten — welche elende Sache! Marſilius, du biſt Plato? Lipſius, du Zeno? wo ſind deine Stoiker? deine Helden, die dort ſo viel thaten? Alle ihr neuen Homere, Redner und Kuͤnſtler — wo iſt eure Welt der Wunder? Auch in kein Land hat die Bildung ihren und
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0156" n="152"/><fw place="top" type="header"><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/></fw> weil allemal ſchon alle <hi rendition="#b">Einfluͤſſe</hi> der alten, jezt<lb/><hi rendition="#b">veraͤnderten</hi> Natur dazu fehlten. <hi rendition="#b">Griechen-<lb/> wiſſenſchaften,</hi> die die Roͤmer an ſich zogen,<lb/> wurden roͤmiſch: <hi rendition="#b">Ariſtoteles</hi> ein <hi rendition="#b">Araber</hi><lb/> und <hi rendition="#b">Scholaſticker:</hi> und mit den <hi rendition="#b">Griechen</hi><lb/> und <hi rendition="#b">Roͤmern der neuen Zeiten</hi> — welche<lb/><hi rendition="#b">elende Sache! Marſilius,</hi> du biſt <hi rendition="#b">Plato?<lb/> Lipſius,</hi> du <hi rendition="#b">Zeno?</hi> wo ſind deine <hi rendition="#b">Stoiker?</hi><lb/> deine <hi rendition="#b">Helden,</hi> die dort ſo viel <hi rendition="#b">thaten?</hi> Alle ihr<lb/> neuen <hi rendition="#b">Homere, Redner</hi> und <hi rendition="#b">Kuͤnſtler</hi> — wo<lb/> iſt eure <hi rendition="#b">Welt</hi> der <hi rendition="#b">Wunder?</hi></p><lb/> <p>Auch in <hi rendition="#b">kein Land</hi> hat die Bildung ihren<lb/><hi rendition="#b">Ruͤcktritt</hi> nehmen koͤnnen, daß ſie zum <hi rendition="#b">zwey-<lb/> tenmal geworden</hi> waͤre, <hi rendition="#b">was ſie war</hi> — der<lb/> Weg des Schickſals iſt eiſern und ſtrenge:<lb/> Scene <hi rendition="#b">der</hi> Zeit, <hi rendition="#b">der</hi> Welt war ſchon voruͤber;<lb/><hi rendition="#b">Zwecke,</hi> wozu ſie ſeyn ſollten, vorbey, — kann<lb/> der heutige Tag der geſtrige werden? Wer-<lb/> den, da der <hi rendition="#b">Gang Gottes unter die Natio-<lb/> nen</hi> mit Rieſenſchritte fortgeht, <hi rendition="#b">kindiſche Ruͤck-<lb/> pfade</hi> von <hi rendition="#b">Menſchenkraͤften</hi> bewuͤrkt werden<lb/> koͤnnen? — Jhr <hi rendition="#b">Ptolomaͤen,</hi> konntet nicht wie-<lb/> der <hi rendition="#b">Aegypten</hi> ſchaffen! ihr <hi rendition="#b">Hadriane</hi> nicht <hi rendition="#b">Grie-<lb/> chenland</hi> wieder! noch <hi rendition="#b">Julian Jeruſalem — Ae-<lb/> gypten, Griechenland</hi> und du <hi rendition="#b">Land Gottes!</hi> wie<lb/> elend liegt ihr, mit nackten Bergen, ohne Spur<lb/> <fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [152/0156]
weil allemal ſchon alle Einfluͤſſe der alten, jezt
veraͤnderten Natur dazu fehlten. Griechen-
wiſſenſchaften, die die Roͤmer an ſich zogen,
wurden roͤmiſch: Ariſtoteles ein Araber
und Scholaſticker: und mit den Griechen
und Roͤmern der neuen Zeiten — welche
elende Sache! Marſilius, du biſt Plato?
Lipſius, du Zeno? wo ſind deine Stoiker?
deine Helden, die dort ſo viel thaten? Alle ihr
neuen Homere, Redner und Kuͤnſtler — wo
iſt eure Welt der Wunder?
Auch in kein Land hat die Bildung ihren
Ruͤcktritt nehmen koͤnnen, daß ſie zum zwey-
tenmal geworden waͤre, was ſie war — der
Weg des Schickſals iſt eiſern und ſtrenge:
Scene der Zeit, der Welt war ſchon voruͤber;
Zwecke, wozu ſie ſeyn ſollten, vorbey, — kann
der heutige Tag der geſtrige werden? Wer-
den, da der Gang Gottes unter die Natio-
nen mit Rieſenſchritte fortgeht, kindiſche Ruͤck-
pfade von Menſchenkraͤften bewuͤrkt werden
koͤnnen? — Jhr Ptolomaͤen, konntet nicht wie-
der Aegypten ſchaffen! ihr Hadriane nicht Grie-
chenland wieder! noch Julian Jeruſalem — Ae-
gypten, Griechenland und du Land Gottes! wie
elend liegt ihr, mit nackten Bergen, ohne Spur
und
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/herder_philosophie_1774 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/herder_philosophie_1774/156 |
Zitationshilfe: | [Herder, Johann Gottfried von]: Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit. [Riga], 1774, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_philosophie_1774/156>, abgerufen am 16.02.2025. |