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[Herder, Johann Gottfried von]: Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit. [Riga], 1774.

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tugendhaften Nationen! wie viel hat euch in
allen Welttheilen, die Bildung der Mensch-
heit
nicht schon zu danken?

Geht das in den übrigen Welttheilen, wie
denn nicht in Europa. Schande für England,
daß das Jrrland so lange wild und barba-
risch blieb: es ist policirt und glücklich.
Schande für England, daß die Nordschotten
so lange ohne Beinkleider giengen: sie tragen
sie jetzt wenigstens auf einer Stange mit sich
und sind glücklich. Welch Reich hat sich in
unserm Jahrhunderte nicht groß und glück-
lich
gebildet! Ein einziges lag zur Schande
der Menschheit in der Mitte da -- ohne Aka-
demien und Ackerbausocietäten, trug Knebel-
bärte und nährte demnach Königsmörder.
Und siehe da! was -- mit dem wilden Corsika
das edelmüthige Frankreich schon allein über-
nommen hatte, -- das thaten drey, -- Knebel-
bärte zu Menschen zu bilden wie wir sind!
gute, starke, glückliche
Menschen!

Alle Künste, die wir treiben, wie hoch ge-
stiegen! kann man sich etwas über jene Re-
gierungskunst,
das System! die Wissenschaft

zur



tugendhaften Nationen! wie viel hat euch in
allen Welttheilen, die Bildung der Menſch-
heit
nicht ſchon zu danken?

Geht das in den uͤbrigen Welttheilen, wie
denn nicht in Europa. Schande fuͤr England,
daß das Jrrland ſo lange wild und barba-
riſch blieb: es iſt policirt und gluͤcklich.
Schande fuͤr England, daß die Nordſchotten
ſo lange ohne Beinkleider giengen: ſie tragen
ſie jetzt wenigſtens auf einer Stange mit ſich
und ſind gluͤcklich. Welch Reich hat ſich in
unſerm Jahrhunderte nicht groß und gluͤck-
lich
gebildet! Ein einziges lag zur Schande
der Menſchheit in der Mitte da — ohne Aka-
demien und Ackerbauſocietaͤten, trug Knebel-
baͤrte und naͤhrte demnach Koͤnigsmoͤrder.
Und ſiehe da! was — mit dem wilden Corſika
das edelmuͤthige Frankreich ſchon allein uͤber-
nommen hatte, — das thaten drey, — Knebel-
baͤrte zu Menſchen zu bilden wie wir ſind!
gute, ſtarke, gluͤckliche
Menſchen!

Alle Kuͤnſte, die wir treiben, wie hoch ge-
ſtiegen! kann man ſich etwas uͤber jene Re-
gierungskunſt,
das Syſtem! die Wiſſenſchaft

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[120/0124] tugendhaften Nationen! wie viel hat euch in allen Welttheilen, die Bildung der Menſch- heit nicht ſchon zu danken? Geht das in den uͤbrigen Welttheilen, wie denn nicht in Europa. Schande fuͤr England, daß das Jrrland ſo lange wild und barba- riſch blieb: es iſt policirt und gluͤcklich. Schande fuͤr England, daß die Nordſchotten ſo lange ohne Beinkleider giengen: ſie tragen ſie jetzt wenigſtens auf einer Stange mit ſich und ſind gluͤcklich. Welch Reich hat ſich in unſerm Jahrhunderte nicht groß und gluͤck- lich gebildet! Ein einziges lag zur Schande der Menſchheit in der Mitte da — ohne Aka- demien und Ackerbauſocietaͤten, trug Knebel- baͤrte und naͤhrte demnach Koͤnigsmoͤrder. Und ſiehe da! was — mit dem wilden Corſika das edelmuͤthige Frankreich ſchon allein uͤber- nommen hatte, — das thaten drey, — Knebel- baͤrte zu Menſchen zu bilden wie wir ſind! gute, ſtarke, gluͤckliche Menſchen! Alle Kuͤnſte, die wir treiben, wie hoch ge- ſtiegen! kann man ſich etwas uͤber jene Re- gierungskunſt, das Syſtem! die Wiſſenſchaft zur

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Zitationshilfe: [Herder, Johann Gottfried von]: Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit. [Riga], 1774, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_philosophie_1774/124>, abgerufen am 23.11.2024.