II. Eben daher muß folgen, daß ein gros- ser Theil dieser sogenannten neuen Bildung selbst würkliche Mechanik sey; näher unter- sucht -- wird diese, wie sehr neuerer Geist! Wenn meistens neue Methoden in jeder Art und Kunst die Welt veränderten -- neue Me- thoden entübrigten Kräfte, die voraus nöthig waren, sich aber jetzt -- denn jede unge- brauchte Kraft schläft! -- mit der Zeit ver- lohren. Gewisse Tugenden der Wissenschaft des Krieges, des bürgerlichen Lebens, der Schiffart, der Regierung -- man brauchte sie nicht mehr: es ward Maschiene, und die Maschiene regiert nur Einer. Mit einem Ge- danken! mit einem Winke! -- dafür schlafen auch wie viel Kräfte! Geschütz erfunden, und damit welche Nerve roher körperlicher Kriegs- stärke, und Seelenkriegsstärke, Tapferkeit, Treue, Gegenwart in einzeln Fällen, Ehrege- fühl der alten Welt ermattet! Das Heer ist eine gedingte, Gedankenkraft-Willenlose Maschine geworden, die ein Mann in seinem Haupte lenkt, und die er nur als Pantin der Bewe- gung, als eine lebendige Mauer bezahlt, Ku-
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delſpitze zwey oder drey mechaniſcher Ge- danken!
II. Eben daher muß folgen, daß ein groſ- ſer Theil dieſer ſogenannten neuen Bildung ſelbſt wuͤrkliche Mechanik ſey; naͤher unter- ſucht — wird dieſe, wie ſehr neuerer Geiſt! Wenn meiſtens neue Methoden in jeder Art und Kunſt die Welt veraͤnderten — neue Me- thoden entuͤbrigten Kraͤfte, die voraus noͤthig waren, ſich aber jetzt — denn jede unge- brauchte Kraft ſchlaͤft! — mit der Zeit ver- lohren. Gewiſſe Tugenden der Wiſſenſchaft des Krieges, des buͤrgerlichen Lebens, der Schiffart, der Regierung — man brauchte ſie nicht mehr: es ward Maſchiene, und die Maſchiene regiert nur Einer. Mit einem Ge- danken! mit einem Winke! — dafuͤr ſchlafen auch wie viel Kraͤfte! Geſchuͤtz erfunden, und damit welche Nerve roher koͤrperlicher Kriegs- ſtaͤrke, und Seelenkriegsſtaͤrke, Tapferkeit, Treue, Gegenwart in einzeln Faͤllen, Ehrege- fuͤhl der alten Welt ermattet! Das Heer iſt eine gedingte, Gedankenkraft-Willenloſe Maſchine geworden, die ein Mann in ſeinem Haupte lenkt, und die er nur als Pantin der Bewe- gung, als eine lebendige Mauer bezahlt, Ku-
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delſpitze zwey oder drey mechaniſcher Ge-
danken!
II. Eben daher muß folgen, daß ein groſ-
ſer Theil dieſer ſogenannten neuen Bildung
ſelbſt wuͤrkliche Mechanik ſey; naͤher unter-
ſucht — wird dieſe, wie ſehr neuerer Geiſt!
Wenn meiſtens neue Methoden in jeder Art
und Kunſt die Welt veraͤnderten — neue Me-
thoden entuͤbrigten Kraͤfte, die voraus noͤthig
waren, ſich aber jetzt — denn jede unge-
brauchte Kraft ſchlaͤft! — mit der Zeit ver-
lohren. Gewiſſe Tugenden der Wiſſenſchaft
des Krieges, des buͤrgerlichen Lebens, der
Schiffart, der Regierung — man brauchte
ſie nicht mehr: es ward Maſchiene, und die
Maſchiene regiert nur Einer. Mit einem Ge-
danken! mit einem Winke! — dafuͤr ſchlafen
auch wie viel Kraͤfte! Geſchuͤtz erfunden, und
damit welche Nerve roher koͤrperlicher Kriegs-
ſtaͤrke, und Seelenkriegsſtaͤrke, Tapferkeit,
Treue, Gegenwart in einzeln Faͤllen, Ehrege-
fuͤhl der alten Welt ermattet! Das Heer iſt eine
gedingte, Gedankenkraft-Willenloſe Maſchine
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[Herder, Johann Gottfried von]: Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit. [Riga], 1774, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_philosophie_1774/103>, abgerufen am 15.08.2024.
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