Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Herder, Johann Gottfried von]: Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit. [Riga], 1774.

Bild:
<< vorherige Seite



delspitze zwey oder drey mechanischer Ge-
danken!

II. Eben daher muß folgen, daß ein gros-
ser Theil dieser sogenannten neuen Bildung
selbst würkliche Mechanik sey; näher unter-
sucht -- wird diese, wie sehr neuerer Geist!
Wenn meistens neue Methoden in jeder Art
und Kunst die Welt veränderten -- neue Me-
thoden entübrigten Kräfte, die voraus nöthig
waren, sich aber jetzt -- denn jede unge-
brauchte Kraft schläft! -- mit der Zeit ver-
lohren. Gewisse Tugenden
der Wissenschaft
des Krieges, des bürgerlichen Lebens, der
Schiffart, der Regierung -- man brauchte
sie nicht mehr: es ward Maschiene, und die
Maschiene regiert nur Einer. Mit einem Ge-
danken! mit einem Winke! -- dafür schlafen
auch wie viel Kräfte! Geschütz erfunden, und
damit welche Nerve roher körperlicher Kriegs-
stärke, und Seelenkriegsstärke, Tapferkeit,
Treue, Gegenwart in einzeln Fällen, Ehrege-
fühl der alten Welt ermattet! Das Heer ist eine
gedingte, Gedankenkraft-Willenlose Maschine
geworden, die ein Mann in seinem Haupte
lenkt, und die er nur als Pantin der Bewe-
gung, als eine lebendige Mauer bezahlt, Ku-

geln
G 2



delſpitze zwey oder drey mechaniſcher Ge-
danken!

II. Eben daher muß folgen, daß ein groſ-
ſer Theil dieſer ſogenannten neuen Bildung
ſelbſt wuͤrkliche Mechanik ſey; naͤher unter-
ſucht — wird dieſe, wie ſehr neuerer Geiſt!
Wenn meiſtens neue Methoden in jeder Art
und Kunſt die Welt veraͤnderten — neue Me-
thoden entuͤbrigten Kraͤfte, die voraus noͤthig
waren, ſich aber jetzt — denn jede unge-
brauchte Kraft ſchlaͤft! — mit der Zeit ver-
lohren. Gewiſſe Tugenden
der Wiſſenſchaft
des Krieges, des buͤrgerlichen Lebens, der
Schiffart, der Regierung — man brauchte
ſie nicht mehr: es ward Maſchiene, und die
Maſchiene regiert nur Einer. Mit einem Ge-
danken! mit einem Winke! — dafuͤr ſchlafen
auch wie viel Kraͤfte! Geſchuͤtz erfunden, und
damit welche Nerve roher koͤrperlicher Kriegs-
ſtaͤrke, und Seelenkriegsſtaͤrke, Tapferkeit,
Treue, Gegenwart in einzeln Faͤllen, Ehrege-
fuͤhl der alten Welt ermattet! Das Heer iſt eine
gedingte, Gedankenkraft-Willenloſe Maſchine
geworden, die ein Mann in ſeinem Haupte
lenkt, und die er nur als Pantin der Bewe-
gung, als eine lebendige Mauer bezahlt, Ku-

geln
G 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0103" n="99"/><fw place="top" type="header"><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/></fw><hi rendition="#b">del&#x017F;pitze zwey</hi> oder <hi rendition="#b">drey mechani&#x017F;cher Ge-<lb/>
danken!</hi></p><lb/>
          <p><hi rendition="#aq">II.</hi> Eben daher muß folgen, daß ein gro&#x017F;-<lb/>
&#x017F;er Theil die&#x017F;er &#x017F;ogenannten neuen Bildung<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t wu&#x0364;rkliche <hi rendition="#b">Mechanik</hi> &#x017F;ey; na&#x0364;her unter-<lb/>
&#x017F;ucht &#x2014; wird die&#x017F;e, wie &#x017F;ehr <hi rendition="#b">neuerer Gei&#x017F;t!</hi><lb/>
Wenn mei&#x017F;tens <hi rendition="#b">neue Methoden</hi> in jeder Art<lb/>
und Kun&#x017F;t die Welt vera&#x0364;nderten &#x2014; neue Me-<lb/>
thoden <hi rendition="#b">entu&#x0364;brigten Kra&#x0364;fte,</hi> die voraus no&#x0364;thig<lb/>
waren, &#x017F;ich aber jetzt &#x2014; denn jede unge-<lb/>
brauchte Kraft &#x017F;chla&#x0364;ft! &#x2014; mit der Zeit <hi rendition="#b">ver-<lb/>
lohren. Gewi&#x017F;&#x017F;e Tugenden</hi> der <hi rendition="#b">Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft</hi><lb/>
des <hi rendition="#b">Krieges,</hi> des <hi rendition="#b">bu&#x0364;rgerlichen Lebens,</hi> der<lb/><hi rendition="#b">Schiffart,</hi> der <hi rendition="#b">Regierung</hi> &#x2014; man brauchte<lb/>
&#x017F;ie nicht mehr: es ward <hi rendition="#b">Ma&#x017F;chiene,</hi> und die<lb/>
Ma&#x017F;chiene regiert nur <hi rendition="#b">Einer.</hi> Mit einem Ge-<lb/>
danken! mit einem Winke! &#x2014; dafu&#x0364;r &#x017F;chlafen<lb/>
auch wie viel Kra&#x0364;fte! <hi rendition="#b">Ge&#x017F;chu&#x0364;tz</hi> erfunden, und<lb/>
damit welche Nerve <hi rendition="#b">roher ko&#x0364;rperlicher</hi> Kriegs-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;rke, und <hi rendition="#b">Seelenkriegs&#x017F;ta&#x0364;rke,</hi> Tapferkeit,<lb/>
Treue, Gegenwart in einzeln Fa&#x0364;llen, Ehrege-<lb/>
fu&#x0364;hl der alten Welt ermattet! Das Heer i&#x017F;t eine<lb/>
gedingte, Gedankenkraft-Willenlo&#x017F;e Ma&#x017F;chine<lb/>
geworden, die <hi rendition="#b">ein Mann</hi> in <hi rendition="#b">&#x017F;einem Haupte</hi><lb/>
lenkt, und die er nur als <hi rendition="#b">Pantin</hi> der Bewe-<lb/>
gung, als eine lebendige Mauer bezahlt, Ku-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">G 2</fw><fw place="bottom" type="catch">geln</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[99/0103] delſpitze zwey oder drey mechaniſcher Ge- danken! II. Eben daher muß folgen, daß ein groſ- ſer Theil dieſer ſogenannten neuen Bildung ſelbſt wuͤrkliche Mechanik ſey; naͤher unter- ſucht — wird dieſe, wie ſehr neuerer Geiſt! Wenn meiſtens neue Methoden in jeder Art und Kunſt die Welt veraͤnderten — neue Me- thoden entuͤbrigten Kraͤfte, die voraus noͤthig waren, ſich aber jetzt — denn jede unge- brauchte Kraft ſchlaͤft! — mit der Zeit ver- lohren. Gewiſſe Tugenden der Wiſſenſchaft des Krieges, des buͤrgerlichen Lebens, der Schiffart, der Regierung — man brauchte ſie nicht mehr: es ward Maſchiene, und die Maſchiene regiert nur Einer. Mit einem Ge- danken! mit einem Winke! — dafuͤr ſchlafen auch wie viel Kraͤfte! Geſchuͤtz erfunden, und damit welche Nerve roher koͤrperlicher Kriegs- ſtaͤrke, und Seelenkriegsſtaͤrke, Tapferkeit, Treue, Gegenwart in einzeln Faͤllen, Ehrege- fuͤhl der alten Welt ermattet! Das Heer iſt eine gedingte, Gedankenkraft-Willenloſe Maſchine geworden, die ein Mann in ſeinem Haupte lenkt, und die er nur als Pantin der Bewe- gung, als eine lebendige Mauer bezahlt, Ku- geln G 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_philosophie_1774
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_philosophie_1774/103
Zitationshilfe: [Herder, Johann Gottfried von]: Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit. [Riga], 1774, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_philosophie_1774/103>, abgerufen am 23.11.2024.