Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767.

Bild:
<< vorherige Seite

"Unschuld. Dies ist der Grund der man-
"nichfaltigen Erdichtungen, in welche ein gu-
"tes Genie seine Satyren einkleidet. Es muß
"sich Situationen erfinden, in welchen er diese
"Naivetät am besten zeigen kann. -- --

"Die Mores Eruditorum und Genius
"seculi
* zeigen auch diese Mannichfaltigkeit
"in Erfindungen, den feinen Spott, der aus
"der Unschuld des Herzens zu kommen scheint;
"aber auch eine Art von Einschränkung auf
"eine gewisse Gattung von Gelehrten. --
"Jndessen gibt ihnen das lateinische Kleid
"eine Neuigkeit, in der sie sich uns zum Ver-
"gnügen darstellen. Was mag wohl die Ur-
"sache davon seyn? Liegt es an dem Gedräng-
"ten der lateinischen Wendungen, an den
"Ausdrücken, die uns durch das Natürliche,
"und durch einige ihnen anklebende Nebenbe-
"griffe anreizen; oder entspringt dieses An-
"genehme aus dem Vergnügen, das wir über
"die glückliche Mittheilung der Gedanken un-
"sers Verfassers in der Sprache der Römer
"haben? Ein Schriftsteller, der dieses un-

"gezwun-
* Litt. Br. Th. 10. p. 197.
Fragm. III S. R

„Unſchuld. Dies iſt der Grund der man-
„nichfaltigen Erdichtungen, in welche ein gu-
„tes Genie ſeine Satyren einkleidet. Es muß
„ſich Situationen erfinden, in welchen er dieſe
„Naivetaͤt am beſten zeigen kann. — —

„Die Mores Eruditorum und Genius
„ſeculi
* zeigen auch dieſe Mannichfaltigkeit
„in Erfindungen, den feinen Spott, der aus
„der Unſchuld des Herzens zu kommen ſcheint;
„aber auch eine Art von Einſchraͤnkung auf
„eine gewiſſe Gattung von Gelehrten. —
„Jndeſſen gibt ihnen das lateiniſche Kleid
„eine Neuigkeit, in der ſie ſich uns zum Ver-
„gnuͤgen darſtellen. Was mag wohl die Ur-
„ſache davon ſeyn? Liegt es an dem Gedraͤng-
„ten der lateiniſchen Wendungen, an den
„Ausdruͤcken, die uns durch das Natuͤrliche,
„und durch einige ihnen anklebende Nebenbe-
„griffe anreizen; oder entſpringt dieſes An-
„genehme aus dem Vergnuͤgen, das wir uͤber
„die gluͤckliche Mittheilung der Gedanken un-
„ſers Verfaſſers in der Sprache der Roͤmer
„haben? Ein Schriftſteller, der dieſes un-

„gezwun-
* Litt. Br. Th. 10. p. 197.
Fragm. III S. R
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <cit>
                  <quote>
                    <p><pb facs="#f0265" n="257"/>
&#x201E;Un&#x017F;chuld. Dies i&#x017F;t der Grund der man-<lb/>
&#x201E;nichfaltigen Erdichtungen, in welche ein gu-<lb/>
&#x201E;tes Genie &#x017F;eine Satyren einkleidet. Es muß<lb/>
&#x201E;&#x017F;ich Situationen erfinden, in welchen er die&#x017F;e<lb/>
&#x201E;Naiveta&#x0364;t am be&#x017F;ten zeigen kann. &#x2014; &#x2014;</p><lb/>
                    <p>&#x201E;Die <hi rendition="#aq">Mores Eruditorum</hi> und <hi rendition="#aq">Genius<lb/>
&#x201E;&#x017F;eculi</hi> <note place="foot" n="*">Litt. Br. Th. 10. p. 197.</note> zeigen auch die&#x017F;e Mannichfaltigkeit<lb/>
&#x201E;in Erfindungen, den feinen Spott, der aus<lb/>
&#x201E;der Un&#x017F;chuld des Herzens zu kommen &#x017F;cheint;<lb/>
&#x201E;aber auch eine Art von Ein&#x017F;chra&#x0364;nkung auf<lb/>
&#x201E;eine gewi&#x017F;&#x017F;e Gattung von Gelehrten. &#x2014;<lb/>
&#x201E;Jnde&#x017F;&#x017F;en gibt ihnen das lateini&#x017F;che Kleid<lb/>
&#x201E;eine Neuigkeit, in der &#x017F;ie &#x017F;ich uns zum Ver-<lb/>
&#x201E;gnu&#x0364;gen dar&#x017F;tellen. Was mag wohl die Ur-<lb/>
&#x201E;&#x017F;ache davon &#x017F;eyn? Liegt es an dem Gedra&#x0364;ng-<lb/>
&#x201E;ten der lateini&#x017F;chen Wendungen, an den<lb/>
&#x201E;Ausdru&#x0364;cken, die uns durch das Natu&#x0364;rliche,<lb/>
&#x201E;und durch einige ihnen anklebende Nebenbe-<lb/>
&#x201E;griffe anreizen; oder ent&#x017F;pringt die&#x017F;es An-<lb/>
&#x201E;genehme aus dem Vergnu&#x0364;gen, das wir u&#x0364;ber<lb/>
&#x201E;die glu&#x0364;ckliche Mittheilung der Gedanken un-<lb/>
&#x201E;&#x017F;ers Verfa&#x017F;&#x017F;ers in der Sprache der Ro&#x0364;mer<lb/>
&#x201E;haben? Ein Schrift&#x017F;teller, der die&#x017F;es un-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x201E;gezwun-</fw><lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#fr">Fragm.</hi><hi rendition="#aq">III</hi><hi rendition="#fr">S.</hi> R</fw><lb/></p>
                  </quote>
                </cit>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[257/0265] „Unſchuld. Dies iſt der Grund der man- „nichfaltigen Erdichtungen, in welche ein gu- „tes Genie ſeine Satyren einkleidet. Es muß „ſich Situationen erfinden, in welchen er dieſe „Naivetaͤt am beſten zeigen kann. — — „Die Mores Eruditorum und Genius „ſeculi * zeigen auch dieſe Mannichfaltigkeit „in Erfindungen, den feinen Spott, der aus „der Unſchuld des Herzens zu kommen ſcheint; „aber auch eine Art von Einſchraͤnkung auf „eine gewiſſe Gattung von Gelehrten. — „Jndeſſen gibt ihnen das lateiniſche Kleid „eine Neuigkeit, in der ſie ſich uns zum Ver- „gnuͤgen darſtellen. Was mag wohl die Ur- „ſache davon ſeyn? Liegt es an dem Gedraͤng- „ten der lateiniſchen Wendungen, an den „Ausdruͤcken, die uns durch das Natuͤrliche, „und durch einige ihnen anklebende Nebenbe- „griffe anreizen; oder entſpringt dieſes An- „genehme aus dem Vergnuͤgen, das wir uͤber „die gluͤckliche Mittheilung der Gedanken un- „ſers Verfaſſers in der Sprache der Roͤmer „haben? Ein Schriftſteller, der dieſes un- „gezwun- * Litt. Br. Th. 10. p. 197. Fragm. III S. R

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur03_1767
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur03_1767/265
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur03_1767/265>, abgerufen am 25.11.2024.