Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 2. Riga, 1767.

Bild:
<< vorherige Seite

ben wollen; sie werden auch ein freies Ur-
theil auf dem Markte über sich nicht ungern
sehen. Jch sage mit dem Achilles im Ho-
mer: "mir haben die Trojaner nichts ge-
"than; nie mein Vieh weggetrieben, nie auf
"dem fetten und volkreichen Pthya meine
"Früchte beschädigt; denn viel schattichte
"Berge sind zwischen uns, und das wiederschal-
"lende Meer." Der ganze Plan meiner
Fragmente zeigt, daß ich blos von den Haupt-
gestirnen unsrer neuern Litteratur reden woll-
te; die Sterne der 5ten Größe mögen eben so
große Sonnen seyn; für uns Erdbewohner
aber nicht.

An die Kunstrichter.) Darf ein Verfas-
ser selbst den Gesichtspunkt angeben, aus dem
er betrachtet seyn will: so bin ich zufrieden;
wenn ich das Genie unsrer Sprache, ihren
Zustand, die Febler und Schönheiten unsrer
Schriftsteller, und die Mittel, von einan-
der zu lernen gezeigt; wenn ich zur Känntniß
und Nachbildung der Griechen angemuntert;
wenn ich die Gränzen der Morgenländischen
Nachahmung bestimmt, und für Schriftstel-

ler,

ben wollen; ſie werden auch ein freies Ur-
theil auf dem Markte uͤber ſich nicht ungern
ſehen. Jch ſage mit dem Achilles im Ho-
mer: „mir haben die Trojaner nichts ge-
„than; nie mein Vieh weggetrieben, nie auf
„dem fetten und volkreichen Pthya meine
„Fruͤchte beſchaͤdigt; denn viel ſchattichte
„Berge ſind zwiſchen uns, und das wiederſchal-
„lende Meer.„ Der ganze Plan meiner
Fragmente zeigt, daß ich blos von den Haupt-
geſtirnen unſrer neuern Litteratur reden woll-
te; die Sterne der 5ten Groͤße moͤgen eben ſo
große Sonnen ſeyn; fuͤr uns Erdbewohner
aber nicht.

An die Kunſtrichter.) Darf ein Verfaſ-
ſer ſelbſt den Geſichtspunkt angeben, aus dem
er betrachtet ſeyn will: ſo bin ich zufrieden;
wenn ich das Genie unſrer Sprache, ihren
Zuſtand, die Febler und Schoͤnheiten unſrer
Schriftſteller, und die Mittel, von einan-
der zu lernen gezeigt; wenn ich zur Kaͤnntniß
und Nachbildung der Griechen angemuntert;
wenn ich die Graͤnzen der Morgenlaͤndiſchen
Nachahmung beſtimmt, und fuͤr Schriftſtel-

ler,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0211" n="379"/>
ben wollen; &#x017F;ie werden auch ein freies Ur-<lb/>
theil auf dem Markte u&#x0364;ber &#x017F;ich nicht ungern<lb/>
&#x017F;ehen. Jch &#x017F;age mit dem Achilles im Ho-<lb/>
mer: &#x201E;mir haben die Trojaner nichts ge-<lb/>
&#x201E;than; nie mein Vieh weggetrieben, nie auf<lb/>
&#x201E;dem fetten und volkreichen Pthya meine<lb/>
&#x201E;Fru&#x0364;chte be&#x017F;cha&#x0364;digt; denn viel &#x017F;chattichte<lb/>
&#x201E;Berge &#x017F;ind zwi&#x017F;chen uns, und das wieder&#x017F;chal-<lb/>
&#x201E;lende Meer.&#x201E; Der ganze Plan meiner<lb/>
Fragmente zeigt, daß ich blos von den Haupt-<lb/>
ge&#x017F;tirnen un&#x017F;rer neuern Litteratur reden woll-<lb/>
te; die Sterne der 5ten Gro&#x0364;ße mo&#x0364;gen eben &#x017F;o<lb/>
große Sonnen &#x017F;eyn; fu&#x0364;r uns Erdbewohner<lb/>
aber nicht.</p><lb/>
        <p>An die <hi rendition="#fr">Kun&#x017F;trichter.</hi>) Darf ein Verfa&#x017F;-<lb/>
&#x017F;er &#x017F;elb&#x017F;t den Ge&#x017F;ichtspunkt angeben, aus dem<lb/>
er betrachtet &#x017F;eyn will: &#x017F;o bin ich zufrieden;<lb/>
wenn ich das Genie un&#x017F;rer Sprache, ihren<lb/>
Zu&#x017F;tand, die Febler und Scho&#x0364;nheiten un&#x017F;rer<lb/>
Schrift&#x017F;teller, und die Mittel, von einan-<lb/>
der zu lernen gezeigt; wenn ich zur Ka&#x0364;nntniß<lb/>
und Nachbildung der Griechen angemuntert;<lb/>
wenn ich die Gra&#x0364;nzen der Morgenla&#x0364;ndi&#x017F;chen<lb/>
Nachahmung be&#x017F;timmt, und fu&#x0364;r Schrift&#x017F;tel-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ler,</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[379/0211] ben wollen; ſie werden auch ein freies Ur- theil auf dem Markte uͤber ſich nicht ungern ſehen. Jch ſage mit dem Achilles im Ho- mer: „mir haben die Trojaner nichts ge- „than; nie mein Vieh weggetrieben, nie auf „dem fetten und volkreichen Pthya meine „Fruͤchte beſchaͤdigt; denn viel ſchattichte „Berge ſind zwiſchen uns, und das wiederſchal- „lende Meer.„ Der ganze Plan meiner Fragmente zeigt, daß ich blos von den Haupt- geſtirnen unſrer neuern Litteratur reden woll- te; die Sterne der 5ten Groͤße moͤgen eben ſo große Sonnen ſeyn; fuͤr uns Erdbewohner aber nicht. An die Kunſtrichter.) Darf ein Verfaſ- ſer ſelbſt den Geſichtspunkt angeben, aus dem er betrachtet ſeyn will: ſo bin ich zufrieden; wenn ich das Genie unſrer Sprache, ihren Zuſtand, die Febler und Schoͤnheiten unſrer Schriftſteller, und die Mittel, von einan- der zu lernen gezeigt; wenn ich zur Kaͤnntniß und Nachbildung der Griechen angemuntert; wenn ich die Graͤnzen der Morgenlaͤndiſchen Nachahmung beſtimmt, und fuͤr Schriftſtel- ler,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur02_1767
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur02_1767/211
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 2. Riga, 1767, S. 379. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur02_1767/211>, abgerufen am 18.12.2024.