"nommen erwächst eine Schreibart, die in "Ansehung ganzer Aussprüche, schwer, ge- "drungen und in einander gewunden, in An- "sehung der Wortfügungen sonderbar und oft "unregelmäßig, in Ansehung des Ausdrucks "sehr fruchtbar, aber auch neu und unge- "wöhnlich ist. Er ist der Schöpfer seiner "ganzen Schreibart. Dieses erhellet daraus "am deutlichsten, daß sich das besondre dar- "inn nirgends mehr zeigt, als in solchen Stel- "len, worinn er blos selbst denkt, in seinen "Reden und eingemischten Betrachtungen. "Hier sind die Perioden oft von ungewöhnli- "cher Länge; denn er schließt nicht eher, bis "seine Reihe von Gedanken zu Ende ist. Hier "sind die Wortfügungen sehr versteckt, und "durch häufige Einschaltungen unterbrochen; "denn er will jeden Begrif durchaus an dem "Orte, in dem Verhältnisse ausdrucken, wo "er sich in dem zusammengesezten Bilde sei- "ner Jdeen befindet; hier sind die einzelnen "Ausdrücke von der gewöhnlichen Bedeutung "und Gebrauch entfernt, weil das Gewöhn- "liche das Ebenmaas seiner Begriffe nicht "genau ausdrückte, und eine Umschreibung
"ihm
„nommen erwaͤchſt eine Schreibart, die in „Anſehung ganzer Ausſpruͤche, ſchwer, ge- „drungen und in einander gewunden, in An- „ſehung der Wortfuͤgungen ſonderbar und oft „unregelmaͤßig, in Anſehung des Ausdrucks „ſehr fruchtbar, aber auch neu und unge- „woͤhnlich iſt. Er iſt der Schoͤpfer ſeiner „ganzen Schreibart. Dieſes erhellet daraus „am deutlichſten, daß ſich das beſondre dar- „inn nirgends mehr zeigt, als in ſolchen Stel- „len, worinn er blos ſelbſt denkt, in ſeinen „Reden und eingemiſchten Betrachtungen. „Hier ſind die Perioden oft von ungewoͤhnli- „cher Laͤnge; denn er ſchließt nicht eher, bis „ſeine Reihe von Gedanken zu Ende iſt. Hier „ſind die Wortfuͤgungen ſehr verſteckt, und „durch haͤufige Einſchaltungen unterbrochen; „denn er will jeden Begrif durchaus an dem „Orte, in dem Verhaͤltniſſe ausdrucken, wo „er ſich in dem zuſammengeſezten Bilde ſei- „ner Jdeen befindet; hier ſind die einzelnen „Ausdruͤcke von der gewoͤhnlichen Bedeutung „und Gebrauch entfernt, weil das Gewoͤhn- „liche das Ebenmaas ſeiner Begriffe nicht „genau ausdruͤckte, und eine Umſchreibung
„ihm
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„nommen erwaͤchſt eine Schreibart, die in
„Anſehung ganzer Ausſpruͤche, ſchwer, ge-
„drungen und in einander gewunden, in An-
„ſehung der Wortfuͤgungen ſonderbar und oft
„unregelmaͤßig, in Anſehung des Ausdrucks
„ſehr fruchtbar, aber auch neu und unge-
„woͤhnlich iſt. Er iſt der Schoͤpfer ſeiner
„ganzen Schreibart. Dieſes erhellet daraus
„am deutlichſten, daß ſich das beſondre dar-
„inn nirgends mehr zeigt, als in ſolchen Stel-
„len, worinn er blos ſelbſt denkt, in ſeinen
„Reden und eingemiſchten Betrachtungen.
„Hier ſind die Perioden oft von ungewoͤhnli-
„cher Laͤnge; denn er ſchließt nicht eher, bis
„ſeine Reihe von Gedanken zu Ende iſt. Hier
„ſind die Wortfuͤgungen ſehr verſteckt, und
„durch haͤufige Einſchaltungen unterbrochen;
„denn er will jeden Begrif durchaus an dem
„Orte, in dem Verhaͤltniſſe ausdrucken, wo
„er ſich in dem zuſammengeſezten Bilde ſei-
„ner Jdeen befindet; hier ſind die einzelnen
„Ausdruͤcke von der gewoͤhnlichen Bedeutung
„und Gebrauch entfernt, weil das Gewoͤhn-
„liche das Ebenmaas ſeiner Begriffe nicht
„genau ausdruͤckte, und eine Umſchreibung
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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 1. Riga, 1767, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur01_1767/81>, abgerufen am 16.02.2025.
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