Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 1. Riga, 1767.stehen also auch die Sprache des Affects mehr, So wie sich das Kind oder die Nation än- Man
ſtehen alſo auch die Sprache des Affects mehr, So wie ſich das Kind oder die Nation aͤn- Man
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ſtehen alſo auch die Sprache des Affects mehr,
als wir, die wir dies Zeitalter nur aus ſpaͤ-
tern Berichten und Schluͤſſen kennen; denn
ſo wenig wir aus unſrer erſten Kindheit Nach-
richt durch Erinnerung haben, ſo wenig ſind
Nachrichten aus dieſer Zeit der Sprache moͤg-
lich, da man noch nicht ſprach, ſondern toͤnete;
da man noch wenig dachte, aber deſto mehr
fuͤhlte; und alſo nichts weniger als ſchrieb.
So wie ſich das Kind oder die Nation aͤn-
derte: ſo mit ihr die Sprache. Entſezzen,
Furcht und Verwunderung verſchwand all-
maͤlich, da man die Gegenſtaͤnde mehr ken-
nen lernte; man ward mit ihnen vertraut und
gab ihnen Namen, Namen, die von der Na-
tur abgezogen waren, und ihr ſo viel moͤglich
im Toͤnen nachahmten. Bei den Gegenſtaͤn-
den fuͤrs Auge muſte die Geberdung noch ſehr
zu Huͤlfe kommen, um ſich verſtaͤndlich zu ma-
chen: und ihr ganzes Woͤrterbuch war noch
ſinnlich. Jhre Sprachwerkzeuge wurden
biegſamer, und die Accente weniger ſchreyend.
Man ſang alſo, wie viele Voͤlker es noch
thun und wie es die alten Geſchichtſchreiber
durchgehends von ihren Vorfahren behaupten.
Man
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