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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 1. Riga, 1767.

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Nach Lowths Bemerkung ist selbst die
Hebräische Sprache zu feurig und in ihren
Formen zu einfach, als daß sie so einem ab-
gemessenen Polymetrischen Numerus, als die
Griechen nachher hatten, sich hätte bequemen
können. Und trift nicht das Gegentheil auf
unsere Sprache vielleicht? Viel zu volltönig
und in ihren Formen zu zerstückt und zu-
sammengesezt,
als daß sie sich dem Polyme-
trischen Numerus bequemen könnte. Jene,
und unsere halten beide, Extreme, nur beide
entfernen sich von der Mitte.

Zu volltönig;) da die Sprache der Grie-
chen hochtönend war, und außer langen und
kurzen auch hohe und niedrige Accente hat-
te; einen Unterschied, den wir entbehren.
Aber für Hexameter nicht entbehren können,
denn bei unserm niedrigen vollen Accent erhö-
het man sich ja wenig zum Daktylus, ohne
einsylbige Wörter als Flickwörter in der Rhyth-
mik nöthig zu haben; wie kann die Sprache
aber Polymetrisch seyn, die eigentlich nur zu
Jamben und Trochäen eine Höhe und Tiefe
hat; die sich selten in Spondäen erhalten

kann,

Nach Lowths Bemerkung iſt ſelbſt die
Hebraͤiſche Sprache zu feurig und in ihren
Formen zu einfach, als daß ſie ſo einem ab-
gemeſſenen Polymetriſchen Numerus, als die
Griechen nachher hatten, ſich haͤtte bequemen
koͤnnen. Und trift nicht das Gegentheil auf
unſere Sprache vielleicht? Viel zu volltoͤnig
und in ihren Formen zu zerſtuͤckt und zu-
ſammengeſezt,
als daß ſie ſich dem Polyme-
triſchen Numerus bequemen koͤnnte. Jene,
und unſere halten beide, Extreme, nur beide
entfernen ſich von der Mitte.

Zu volltoͤnig;) da die Sprache der Grie-
chen hochtoͤnend war, und außer langen und
kurzen auch hohe und niedrige Accente hat-
te; einen Unterſchied, den wir entbehren.
Aber fuͤr Hexameter nicht entbehren koͤnnen,
denn bei unſerm niedrigen vollen Accent erhoͤ-
het man ſich ja wenig zum Daktylus, ohne
einſylbige Woͤrter als Flickwoͤrter in der Rhyth-
mik noͤthig zu haben; wie kann die Sprache
aber Polymetriſch ſeyn, die eigentlich nur zu
Jamben und Trochaͤen eine Hoͤhe und Tiefe
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[122/0126] Nach Lowths Bemerkung iſt ſelbſt die Hebraͤiſche Sprache zu feurig und in ihren Formen zu einfach, als daß ſie ſo einem ab- gemeſſenen Polymetriſchen Numerus, als die Griechen nachher hatten, ſich haͤtte bequemen koͤnnen. Und trift nicht das Gegentheil auf unſere Sprache vielleicht? Viel zu volltoͤnig und in ihren Formen zu zerſtuͤckt und zu- ſammengeſezt, als daß ſie ſich dem Polyme- triſchen Numerus bequemen koͤnnte. Jene, und unſere halten beide, Extreme, nur beide entfernen ſich von der Mitte. Zu volltoͤnig;) da die Sprache der Grie- chen hochtoͤnend war, und außer langen und kurzen auch hohe und niedrige Accente hat- te; einen Unterſchied, den wir entbehren. Aber fuͤr Hexameter nicht entbehren koͤnnen, denn bei unſerm niedrigen vollen Accent erhoͤ- het man ſich ja wenig zum Daktylus, ohne einſylbige Woͤrter als Flickwoͤrter in der Rhyth- mik noͤthig zu haben; wie kann die Sprache aber Polymetriſch ſeyn, die eigentlich nur zu Jamben und Trochaͤen eine Hoͤhe und Tiefe hat; die ſich ſelten in Spondaͤen erhalten kann,

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 1. Riga, 1767, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur01_1767/126>, abgerufen am 21.11.2024.