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Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 3. Riga, 1769.

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Drittes Wäldchen.
struktionen, ohne Ellypsen, ohne einzelne Rede-
theile: sie liebt auch im Sinne mehr das voll-
und ausführlich gesagte, als das schön Andeu-
tende der Griechen und Römer: sie ist also nicht,
wie diese, zur Münzenaufschrift. Was soll hier
ein Geschmackvoller Tadel über den Mangel an
Geschmack in einer Sache, wo es an etwas mehr
fehlt, als diesem?

So nehme man die römische Sprache statt der
unsrigen! Gut gesagt! aber ist denn auch die Mün-
ze so national, als die römische war? so einem
jeden verständlich? so fürs Publikum, als je-
ne? -- Zudem: "man brauche die römische:"
aber, ans Landübliche, ans Costume nicht zu
denken, wird man sie auch als ein Römer brau-
chen? Jst die römische denn auch für unsre Welt
von Münzdenkwürdigkeiten gebildet? wird man
nicht oft, in dem man alte Worte auf neue Ge-
bräuche anwendet, Centauren schmieden? Vermi-
schungen der Zeiten und Länder, die einem Nach-
kommen befremdlich seyn müssen, schielende Ue-
bertragungen römischer Worte und Begriffe unter
deutsche oder neuere Begriffe überhaupt, für einen
Kenner beider Zeiten unausstehlich. Die griechi-
sche und römische Sprache war Rational: die
Denkwürdigkeiten, welche auf Münzen kamen,
National, eines also für das andre gebildet: Kör-
per und Seele. Jst aber die römische Sprache

für
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Drittes Waͤldchen.
ſtruktionen, ohne Ellypſen, ohne einzelne Rede-
theile: ſie liebt auch im Sinne mehr das voll-
und ausfuͤhrlich geſagte, als das ſchoͤn Andeu-
tende der Griechen und Roͤmer: ſie iſt alſo nicht,
wie dieſe, zur Muͤnzenaufſchrift. Was ſoll hier
ein Geſchmackvoller Tadel uͤber den Mangel an
Geſchmack in einer Sache, wo es an etwas mehr
fehlt, als dieſem?

So nehme man die roͤmiſche Sprache ſtatt der
unſrigen! Gut geſagt! aber iſt denn auch die Muͤn-
ze ſo national, als die roͤmiſche war? ſo einem
jeden verſtaͤndlich? ſo fuͤrs Publikum, als je-
ne? — Zudem: „man brauche die roͤmiſche:„
aber, ans Landuͤbliche, ans Coſtume nicht zu
denken, wird man ſie auch als ein Roͤmer brau-
chen? Jſt die roͤmiſche denn auch fuͤr unſre Welt
von Muͤnzdenkwuͤrdigkeiten gebildet? wird man
nicht oft, in dem man alte Worte auf neue Ge-
braͤuche anwendet, Centauren ſchmieden? Vermi-
ſchungen der Zeiten und Laͤnder, die einem Nach-
kommen befremdlich ſeyn muͤſſen, ſchielende Ue-
bertragungen roͤmiſcher Worte und Begriffe unter
deutſche oder neuere Begriffe uͤberhaupt, fuͤr einen
Kenner beider Zeiten unausſtehlich. Die griechi-
ſche und roͤmiſche Sprache war Rational: die
Denkwuͤrdigkeiten, welche auf Muͤnzen kamen,
National, eines alſo fuͤr das andre gebildet: Koͤr-
per und Seele. Jſt aber die roͤmiſche Sprache

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[73/0079] Drittes Waͤldchen. ſtruktionen, ohne Ellypſen, ohne einzelne Rede- theile: ſie liebt auch im Sinne mehr das voll- und ausfuͤhrlich geſagte, als das ſchoͤn Andeu- tende der Griechen und Roͤmer: ſie iſt alſo nicht, wie dieſe, zur Muͤnzenaufſchrift. Was ſoll hier ein Geſchmackvoller Tadel uͤber den Mangel an Geſchmack in einer Sache, wo es an etwas mehr fehlt, als dieſem? So nehme man die roͤmiſche Sprache ſtatt der unſrigen! Gut geſagt! aber iſt denn auch die Muͤn- ze ſo national, als die roͤmiſche war? ſo einem jeden verſtaͤndlich? ſo fuͤrs Publikum, als je- ne? — Zudem: „man brauche die roͤmiſche:„ aber, ans Landuͤbliche, ans Coſtume nicht zu denken, wird man ſie auch als ein Roͤmer brau- chen? Jſt die roͤmiſche denn auch fuͤr unſre Welt von Muͤnzdenkwuͤrdigkeiten gebildet? wird man nicht oft, in dem man alte Worte auf neue Ge- braͤuche anwendet, Centauren ſchmieden? Vermi- ſchungen der Zeiten und Laͤnder, die einem Nach- kommen befremdlich ſeyn muͤſſen, ſchielende Ue- bertragungen roͤmiſcher Worte und Begriffe unter deutſche oder neuere Begriffe uͤberhaupt, fuͤr einen Kenner beider Zeiten unausſtehlich. Die griechi- ſche und roͤmiſche Sprache war Rational: die Denkwuͤrdigkeiten, welche auf Muͤnzen kamen, National, eines alſo fuͤr das andre gebildet: Koͤr- per und Seele. Jſt aber die roͤmiſche Sprache fuͤr E 5

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 3. Riga, 1769, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische03_1769/79>, abgerufen am 24.11.2024.