Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 3. Riga, 1769.Drittes Wäldchen. Geschmack zeigen wollen? den ersten besten Griffin eine Münzensammlung Christlicher, und inson- derheit der mittlern barbarischen Mönchszeiten, und man wird von Gott und Belial, von Himmel und Hölle, von Engeln und Teufeln, von Märtrern und Heiligen Bilder finden, nicht geschwind gnug zu überschlagen. Selbst die beste Vorstellung des Christenthums, die betende Mine, die kniende Figur der Andacht scheint nicht für einen ewigen, offnen Anblick der Kunst die beste, so häufig uns der Gothischpapistische Mönchsgeschmack damit be- schenket hat. Das wahre Gebeth flieht in eine stille Kammer: es will sich nicht zur Schau stellen lassen: die vor allem anschauenden Volke verzückte Mine kommt bey dem langen Anblicke, der ärgernden Mine des Heuchlers zu nahe, und das ist noch eine der würdigsten Kunstvorstellungen aus unsrer Religion! 2. Sinnbilder von Städten, Provinzen, von D 5
Drittes Waͤldchen. Geſchmack zeigen wollen? den erſten beſten Griffin eine Muͤnzenſammlung Chriſtlicher, und inſon- derheit der mittlern barbariſchen Moͤnchszeiten, und man wird von Gott und Belial, von Himmel und Hoͤlle, von Engeln und Teufeln, von Maͤrtrern und Heiligen Bilder finden, nicht geſchwind gnug zu uͤberſchlagen. Selbſt die beſte Vorſtellung des Chriſtenthums, die betende Mine, die kniende Figur der Andacht ſcheint nicht fuͤr einen ewigen, offnen Anblick der Kunſt die beſte, ſo haͤufig uns der Gothiſchpapiſtiſche Moͤnchsgeſchmack damit be- ſchenket hat. Das wahre Gebeth flieht in eine ſtille Kammer: es will ſich nicht zur Schau ſtellen laſſen: die vor allem anſchauenden Volke verzuͤckte Mine kommt bey dem langen Anblicke, der aͤrgernden Mine des Heuchlers zu nahe, und das iſt noch eine der wuͤrdigſten Kunſtvorſtellungen aus unſrer Religion! 2. Sinnbilder von Staͤdten, Provinzen, von D 5
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Drittes Waͤldchen.
Geſchmack zeigen wollen? den erſten beſten Griff
in eine Muͤnzenſammlung Chriſtlicher, und inſon-
derheit der mittlern barbariſchen Moͤnchszeiten, und
man wird von Gott und Belial, von Himmel und
Hoͤlle, von Engeln und Teufeln, von Maͤrtrern
und Heiligen Bilder finden, nicht geſchwind gnug
zu uͤberſchlagen. Selbſt die beſte Vorſtellung des
Chriſtenthums, die betende Mine, die kniende Figur
der Andacht ſcheint nicht fuͤr einen ewigen, offnen
Anblick der Kunſt die beſte, ſo haͤufig uns der
Gothiſchpapiſtiſche Moͤnchsgeſchmack damit be-
ſchenket hat. Das wahre Gebeth flieht in eine
ſtille Kammer: es will ſich nicht zur Schau ſtellen
laſſen: die vor allem anſchauenden Volke verzuͤckte
Mine kommt bey dem langen Anblicke, der aͤrgernden
Mine des Heuchlers zu nahe, und das iſt noch
eine der wuͤrdigſten Kunſtvorſtellungen aus unſrer
Religion!
2. Sinnbilder von Staͤdten, Provinzen,
Laͤndern geben auf den alten Muͤnzen eine ein-
fachere Bilderſprache, als in Zeiten, da die
Heraldik eine zuſammengeſetzte, kuͤnſtliche Wiſſen-
ſchaft geworden, die allein beynahe die Lebenszeit
eines Mannes fodert. Eine einfache Figur war
dort die Symbole einer Stadt, einer Kolonie,
eines Landes; unſre Wappen ſind eine Zuſammen-
ſetzung vieler Figuren, um deren Eine oft Stroͤme
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