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Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 3. Riga, 1769.

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Drittes Wäldchen.
sonst würden sie dieselbe so wenig, als wir, haben
bilden können. Unser Gott ist ganz über das
Sinnliche der Kunst erhaben: die gewöhnlichen
Vorstellungen der Dreieinigkeit in den Gestalten
einzelner Personen von dem göttlichen Greise an
bis an die himmlische Taube sind nicht gnugthuend:
der Triangel blos eine tropische Symbole: die Glorie
mit dem heiligen Namen nichts als eine Episto-
lische Hieroglyphe: die Wirksamkeit unsrer Gott-
heit ist nicht bildsam: einzelne Schutzgötter hat
unsre Religion nicht: die Vorsteherschaft besondrer
Wesen über besondre Dinge kenner sie nicht --
wer wird sich hier mit den Heiden vergleichen
wollen?

Wo unsre Religion noch sinnlichen Vorstellun-
gen Raum gibt, wo sie sich einer poetischen
Bildersprache bequemt: da ist sie -- orientalisch.
Unter einem Volke gebildet, das ihr Gott auf alle
Art von Bildnissen abwenden wollte, in Gegen-
den, die das Uebermenschliche suchten, in Natio-
nen, die Verhüllungen des Körpers, und Geheim-
nisse des Geistes lieber verehren, als das offne
Schöne lieben wollten -- im Geist und in der
Sprache dieses Volks die sinnliche Bildersprache
unsrer Religion also geoffenbaret; wer wird in ihr
Offenbarungen für die Kunst suchen wollen. Ueber
das Bild von der seligen Abfarth Gustav Adolphs

ist
D 4

Drittes Waͤldchen.
ſonſt wuͤrden ſie dieſelbe ſo wenig, als wir, haben
bilden koͤnnen. Unſer Gott iſt ganz uͤber das
Sinnliche der Kunſt erhaben: die gewoͤhnlichen
Vorſtellungen der Dreieinigkeit in den Geſtalten
einzelner Perſonen von dem goͤttlichen Greiſe an
bis an die himmliſche Taube ſind nicht gnugthuend:
der Triangel blos eine tropiſche Symbole: die Glorie
mit dem heiligen Namen nichts als eine Epiſto-
liſche Hieroglyphe: die Wirkſamkeit unſrer Gott-
heit iſt nicht bildſam: einzelne Schutzgoͤtter hat
unſre Religion nicht: die Vorſteherſchaft beſondrer
Weſen uͤber beſondre Dinge kenner ſie nicht —
wer wird ſich hier mit den Heiden vergleichen
wollen?

Wo unſre Religion noch ſinnlichen Vorſtellun-
gen Raum gibt, wo ſie ſich einer poetiſchen
Bilderſprache bequemt: da iſt ſie — orientaliſch.
Unter einem Volke gebildet, das ihr Gott auf alle
Art von Bildniſſen abwenden wollte, in Gegen-
den, die das Uebermenſchliche ſuchten, in Natio-
nen, die Verhuͤllungen des Koͤrpers, und Geheim-
niſſe des Geiſtes lieber verehren, als das offne
Schoͤne lieben wollten — im Geiſt und in der
Sprache dieſes Volks die ſinnliche Bilderſprache
unſrer Religion alſo geoffenbaret; wer wird in ihr
Offenbarungen fuͤr die Kunſt ſuchen wollen. Ueber
das Bild von der ſeligen Abfarth Guſtav Adolphs

iſt
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[55/0061] Drittes Waͤldchen. ſonſt wuͤrden ſie dieſelbe ſo wenig, als wir, haben bilden koͤnnen. Unſer Gott iſt ganz uͤber das Sinnliche der Kunſt erhaben: die gewoͤhnlichen Vorſtellungen der Dreieinigkeit in den Geſtalten einzelner Perſonen von dem goͤttlichen Greiſe an bis an die himmliſche Taube ſind nicht gnugthuend: der Triangel blos eine tropiſche Symbole: die Glorie mit dem heiligen Namen nichts als eine Epiſto- liſche Hieroglyphe: die Wirkſamkeit unſrer Gott- heit iſt nicht bildſam: einzelne Schutzgoͤtter hat unſre Religion nicht: die Vorſteherſchaft beſondrer Weſen uͤber beſondre Dinge kenner ſie nicht — wer wird ſich hier mit den Heiden vergleichen wollen? Wo unſre Religion noch ſinnlichen Vorſtellun- gen Raum gibt, wo ſie ſich einer poetiſchen Bilderſprache bequemt: da iſt ſie — orientaliſch. Unter einem Volke gebildet, das ihr Gott auf alle Art von Bildniſſen abwenden wollte, in Gegen- den, die das Uebermenſchliche ſuchten, in Natio- nen, die Verhuͤllungen des Koͤrpers, und Geheim- niſſe des Geiſtes lieber verehren, als das offne Schoͤne lieben wollten — im Geiſt und in der Sprache dieſes Volks die ſinnliche Bilderſprache unſrer Religion alſo geoffenbaret; wer wird in ihr Offenbarungen fuͤr die Kunſt ſuchen wollen. Ueber das Bild von der ſeligen Abfarth Guſtav Adolphs iſt D 4

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 3. Riga, 1769, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische03_1769/61>, abgerufen am 21.11.2024.