Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 3. Riga, 1769.

Bild:
<< vorherige Seite

Drittes Wäldchen.
priesen, was sich nicht abbilden ließ? Wie? daß
sie bei diesem Selbstgefühl nicht stehen blieben, und
eben mit der Erfahrenheit ihres Auges, und mit der
Gelehrsamkeit ihres Geschmacks höhere Zwecke aus-
zurichten suchten; nicht mit dem Jnstrument
prahlten, sondern lieber Werke aufwiesen, die ihr
Jnstrument in stiller Werkstäte verfertigt: soll dies
ihnen gegen den zum Nachtheile a) gereichen, der
nichts als sein Jnstrument vorzeiget, der blos von
Geschmacke redet, ohne, was er damit zur ander-
weitigen Nahrung ausgekostet?

Hr. Kl. hat ungefähr sagen wollen: daß es
Leute gebe, die bei einer Münze vorzüglich auf
Gelehrsamkeit sehen, und bei denen dieser Hang zur
Belesenheit, das, was er Geschmack nennt, ver-
schlinget; daß es Leute gebe, die bei einer Münze
das Mechanische der Kunst richtig im Auge haben,
und (man nenne dieses nun, Kunstwissenschaft
oder Kunstgeschmack,) von ihnen, als Geprägen,
urtheilen, und wenn sie muntern Geistes sind, sich

über
a) Schon lange haben gründliche Kenner des Alter-
thums es beklagt, daß man so gern mit einigem schö-
nen Blendewerk aus den Alten davon prale; ohne
die Antiquität zur Wissenschaft anzuwenden. Roch
neulich hat Ernesti in der Vorrede zu seiner Archäolo-
gie darüber geklagt, daß diese versäumt -- er hätte
dazu setzen können, daß sie nach der neuesten Mode
gar verspottet werde.

Drittes Waͤldchen.
prieſen, was ſich nicht abbilden ließ? Wie? daß
ſie bei dieſem Selbſtgefuͤhl nicht ſtehen blieben, und
eben mit der Erfahrenheit ihres Auges, und mit der
Gelehrſamkeit ihres Geſchmacks hoͤhere Zwecke aus-
zurichten ſuchten; nicht mit dem Jnſtrument
prahlten, ſondern lieber Werke aufwieſen, die ihr
Jnſtrument in ſtiller Werkſtaͤte verfertigt: ſoll dies
ihnen gegen den zum Nachtheile a) gereichen, der
nichts als ſein Jnſtrument vorzeiget, der blos von
Geſchmacke redet, ohne, was er damit zur ander-
weitigen Nahrung ausgekoſtet?

Hr. Kl. hat ungefaͤhr ſagen wollen: daß es
Leute gebe, die bei einer Muͤnze vorzuͤglich auf
Gelehrſamkeit ſehen, und bei denen dieſer Hang zur
Beleſenheit, das, was er Geſchmack nennt, ver-
ſchlinget; daß es Leute gebe, die bei einer Muͤnze
das Mechaniſche der Kunſt richtig im Auge haben,
und (man nenne dieſes nun, Kunſtwiſſenſchaft
oder Kunſtgeſchmack,) von ihnen, als Gepraͤgen,
urtheilen, und wenn ſie muntern Geiſtes ſind, ſich

uͤber
a) Schon lange haben gruͤndliche Kenner des Alter-
thums es beklagt, daß man ſo gern mit einigem ſchoͤ-
nen Blendewerk aus den Alten davon prale; ohne
die Antiquitaͤt zur Wiſſenſchaft anzuwenden. Roch
neulich hat Erneſti in der Vorrede zu ſeiner Archaͤolo-
gie daruͤber geklagt, daß dieſe verſaͤumt — er haͤtte
dazu ſetzen koͤnnen, daß ſie nach der neueſten Mode
gar verſpottet werde.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0037" n="31"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Drittes Wa&#x0364;ldchen.</hi></fw><lb/>
prie&#x017F;en, was &#x017F;ich nicht abbilden ließ? Wie? daß<lb/>
&#x017F;ie bei die&#x017F;em Selb&#x017F;tgefu&#x0364;hl nicht &#x017F;tehen blieben, und<lb/>
eben mit der Erfahrenheit ihres Auges, und mit der<lb/>
Gelehr&#x017F;amkeit ihres Ge&#x017F;chmacks ho&#x0364;here Zwecke aus-<lb/>
zurichten &#x017F;uchten; nicht mit dem Jn&#x017F;trument<lb/>
prahlten, &#x017F;ondern lieber Werke aufwie&#x017F;en, die ihr<lb/>
Jn&#x017F;trument in &#x017F;tiller Werk&#x017F;ta&#x0364;te verfertigt: &#x017F;oll dies<lb/>
ihnen gegen den zum Nachtheile <note place="foot" n="a)">Schon lange haben gru&#x0364;ndliche Kenner des Alter-<lb/>
thums es beklagt, daß man &#x017F;o gern mit einigem &#x017F;cho&#x0364;-<lb/>
nen Blendewerk aus den Alten davon prale; ohne<lb/>
die Antiquita&#x0364;t zur Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft anzuwenden. Roch<lb/>
neulich hat Erne&#x017F;ti in der Vorrede zu &#x017F;einer Archa&#x0364;olo-<lb/>
gie daru&#x0364;ber geklagt, daß die&#x017F;e ver&#x017F;a&#x0364;umt &#x2014; er ha&#x0364;tte<lb/>
dazu &#x017F;etzen ko&#x0364;nnen, daß &#x017F;ie nach der neue&#x017F;ten Mode<lb/>
gar ver&#x017F;pottet werde.</note> gereichen, der<lb/>
nichts als &#x017F;ein Jn&#x017F;trument vorzeiget, der blos von<lb/>
Ge&#x017F;chmacke redet, ohne, was er damit zur ander-<lb/>
weitigen Nahrung ausgeko&#x017F;tet?</p><lb/>
          <p>Hr. Kl. hat ungefa&#x0364;hr &#x017F;agen wollen: daß es<lb/>
Leute gebe, die bei einer Mu&#x0364;nze vorzu&#x0364;glich auf<lb/>
Gelehr&#x017F;amkeit &#x017F;ehen, und bei denen die&#x017F;er Hang zur<lb/>
Bele&#x017F;enheit, das, was er Ge&#x017F;chmack nennt, ver-<lb/>
&#x017F;chlinget; daß es Leute gebe, die bei einer Mu&#x0364;nze<lb/>
das Mechani&#x017F;che der Kun&#x017F;t richtig im Auge haben,<lb/>
und (man nenne die&#x017F;es nun, Kun&#x017F;twi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft<lb/>
oder Kun&#x017F;tge&#x017F;chmack,) von ihnen, als Gepra&#x0364;gen,<lb/>
urtheilen, und wenn &#x017F;ie muntern Gei&#x017F;tes &#x017F;ind, &#x017F;ich<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">u&#x0364;ber</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[31/0037] Drittes Waͤldchen. prieſen, was ſich nicht abbilden ließ? Wie? daß ſie bei dieſem Selbſtgefuͤhl nicht ſtehen blieben, und eben mit der Erfahrenheit ihres Auges, und mit der Gelehrſamkeit ihres Geſchmacks hoͤhere Zwecke aus- zurichten ſuchten; nicht mit dem Jnſtrument prahlten, ſondern lieber Werke aufwieſen, die ihr Jnſtrument in ſtiller Werkſtaͤte verfertigt: ſoll dies ihnen gegen den zum Nachtheile a) gereichen, der nichts als ſein Jnſtrument vorzeiget, der blos von Geſchmacke redet, ohne, was er damit zur ander- weitigen Nahrung ausgekoſtet? Hr. Kl. hat ungefaͤhr ſagen wollen: daß es Leute gebe, die bei einer Muͤnze vorzuͤglich auf Gelehrſamkeit ſehen, und bei denen dieſer Hang zur Beleſenheit, das, was er Geſchmack nennt, ver- ſchlinget; daß es Leute gebe, die bei einer Muͤnze das Mechaniſche der Kunſt richtig im Auge haben, und (man nenne dieſes nun, Kunſtwiſſenſchaft oder Kunſtgeſchmack,) von ihnen, als Gepraͤgen, urtheilen, und wenn ſie muntern Geiſtes ſind, ſich uͤber a) Schon lange haben gruͤndliche Kenner des Alter- thums es beklagt, daß man ſo gern mit einigem ſchoͤ- nen Blendewerk aus den Alten davon prale; ohne die Antiquitaͤt zur Wiſſenſchaft anzuwenden. Roch neulich hat Erneſti in der Vorrede zu ſeiner Archaͤolo- gie daruͤber geklagt, daß dieſe verſaͤumt — er haͤtte dazu ſetzen koͤnnen, daß ſie nach der neueſten Mode gar verſpottet werde.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische03_1769
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische03_1769/37
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 3. Riga, 1769, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische03_1769/37>, abgerufen am 21.11.2024.