Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 3. Riga, 1769.Drittes Wäldchen. dium zur Geschichte, Chronologie, Geographie,Naturwissenschaft, Mythologie, Rechtslehre und der ganzen Känntniß des Alterthums, erweisen zu wollen, da solche in dieser Wissenschaft große Na- men vor dieser Materie stehen, oder da viele, wel- ches noch besser ist, durch ihr Beispiel die Sache selbst erwiesen haben. Nur so viel also gegen Hr. Kl., daß die Bearbeitung der Münzwissenschaft aus einem andern Gesichtspunkte; er sei nun Ge- schichte, oder Rechtsgelahrheit, oder Mythologie, oder eine Theorie der Medaillen überhaupt, noch gar nicht dem Geschmack an Münzen widerspreche, ihn nicht verdränge; ihn vielmehr voraussetze, und mit ihm als Führer einerlei Reise thue. Hier den Geschmack als ein entlegnes eignes Land anse- hen, ist eine Aussicht nach Utopien hin, und eben so viel, als Lebenslang die Logik studiren, ohne sie und alle ihre Zauberkünste jemals anzuwenden, sich lebenslang den Geschmack zu kitzeln, ohne sich ei- nige Nahrung dadurch erschmecken zu wollen. Der wahre Tempel des Geschmacks ist nicht eine Orien- talische Pagode, ein Ruhesitz, wo man als am Ende feiner Wallfahrt sich niederläßt; er ist vielmehr wie der Tempel des Marcellus gebauet; die Pforte des Geschmacks, auch in Münzen, ein Durch- gang zur Wissenschaft: zur Wissenschaft, welche es wolle. Der
Drittes Waͤldchen. dium zur Geſchichte, Chronologie, Geographie,Naturwiſſenſchaft, Mythologie, Rechtslehre und der ganzen Kaͤnntniß des Alterthums, erweiſen zu wollen, da ſolche in dieſer Wiſſenſchaft große Na- men vor dieſer Materie ſtehen, oder da viele, wel- ches noch beſſer iſt, durch ihr Beiſpiel die Sache ſelbſt erwieſen haben. Nur ſo viel alſo gegen Hr. Kl., daß die Bearbeitung der Muͤnzwiſſenſchaft aus einem andern Geſichtspunkte; er ſei nun Ge- ſchichte, oder Rechtsgelahrheit, oder Mythologie, oder eine Theorie der Medaillen uͤberhaupt, noch gar nicht dem Geſchmack an Muͤnzen widerſpreche, ihn nicht verdraͤnge; ihn vielmehr vorausſetze, und mit ihm als Fuͤhrer einerlei Reiſe thue. Hier den Geſchmack als ein entlegnes eignes Land anſe- hen, iſt eine Ausſicht nach Utopien hin, und eben ſo viel, als Lebenslang die Logik ſtudiren, ohne ſie und alle ihre Zauberkuͤnſte jemals anzuwenden, ſich lebenslang den Geſchmack zu kitzeln, ohne ſich ei- nige Nahrung dadurch erſchmecken zu wollen. Der wahre Tempel des Geſchmacks iſt nicht eine Orien- taliſche Pagode, ein Ruheſitz, wo man als am Ende feiner Wallfahrt ſich niederlaͤßt; er iſt vielmehr wie der Tempel des Marcellus gebauet; die Pforte des Geſchmacks, auch in Muͤnzen, ein Durch- gang zur Wiſſenſchaft: zur Wiſſenſchaft, welche es wolle. Der
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Drittes Waͤldchen.
dium zur Geſchichte, Chronologie, Geographie,
Naturwiſſenſchaft, Mythologie, Rechtslehre und
der ganzen Kaͤnntniß des Alterthums, erweiſen zu
wollen, da ſolche in dieſer Wiſſenſchaft große Na-
men vor dieſer Materie ſtehen, oder da viele, wel-
ches noch beſſer iſt, durch ihr Beiſpiel die Sache
ſelbſt erwieſen haben. Nur ſo viel alſo gegen Hr.
Kl., daß die Bearbeitung der Muͤnzwiſſenſchaft
aus einem andern Geſichtspunkte; er ſei nun Ge-
ſchichte, oder Rechtsgelahrheit, oder Mythologie,
oder eine Theorie der Medaillen uͤberhaupt, noch
gar nicht dem Geſchmack an Muͤnzen widerſpreche,
ihn nicht verdraͤnge; ihn vielmehr vorausſetze, und
mit ihm als Fuͤhrer einerlei Reiſe thue. Hier
den Geſchmack als ein entlegnes eignes Land anſe-
hen, iſt eine Ausſicht nach Utopien hin, und eben
ſo viel, als Lebenslang die Logik ſtudiren, ohne ſie
und alle ihre Zauberkuͤnſte jemals anzuwenden, ſich
lebenslang den Geſchmack zu kitzeln, ohne ſich ei-
nige Nahrung dadurch erſchmecken zu wollen. Der
wahre Tempel des Geſchmacks iſt nicht eine Orien-
taliſche Pagode, ein Ruheſitz, wo man als am Ende
feiner Wallfahrt ſich niederlaͤßt; er iſt vielmehr
wie der Tempel des Marcellus gebauet; die Pforte
des Geſchmacks, auch in Muͤnzen, ein Durch-
gang zur Wiſſenſchaft: zur Wiſſenſchaft, welche
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