Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 3. Riga, 1769.Drittes Wäldchen. "gnügte, keinen geringern Beweis von der damals"in Frankreich herrschenden Schmeichelei und all- "gemeinen Bemühung, den König leichtsinnig zu "vergöttern, als jener Bischof, welcher von dem "Strome der Niederträchtigkeit, als ihm Lud- "wig --" ich kann den Rednerischen Ton bei dem Geschichtchen eines Bischofs, der Ludwigen zu gefal- len keine Zähne haben will, nicht aushalten -- fühlt denn Hr. Kl. nicht, daß dies eine Geschicht- chen sein ganzes System der Hieroscopie aus Mün- zen umwerfe? Konnte eine ganze Akademie, die dafür bezahlt wurde, auf ihren Münzen nichts als schmeicheln? Kann eine Legion von Münzen noch so wenig Zeuginn über den Charakter eines Prin- zen werden: ein ganzes Jahrhundert beinahe konnte im Strome prächtiger Lügen fortgehen -- "ach "Sire! wo findet man alsdenn jemand, der Zähne "hat?" wer wird alsdenn den Charakter, die Denkungsart, die Wahrheit eines Fürsten aus dessen Münzen lesen wollen? Des Fürsten Hauptbeschäftigung etwa könnte he-
Drittes Waͤldchen. „gnuͤgte, keinen geringern Beweis von der damals„in Frankreich herrſchenden Schmeichelei und all- „gemeinen Bemuͤhung, den Koͤnig leichtſinnig zu „vergoͤttern, als jener Biſchof, welcher von dem „Strome der Niedertraͤchtigkeit, als ihm Lud- „wig —„ ich kann den Redneriſchen Ton bei dem Geſchichtchen eines Biſchofs, der Ludwigen zu gefal- len keine Zaͤhne haben will, nicht aushalten — fuͤhlt denn Hr. Kl. nicht, daß dies eine Geſchicht- chen ſein ganzes Syſtem der Hieroſcopie aus Muͤn- zen umwerfe? Konnte eine ganze Akademie, die dafuͤr bezahlt wurde, auf ihren Muͤnzen nichts als ſchmeicheln? Kann eine Legion von Muͤnzen noch ſo wenig Zeuginn uͤber den Charakter eines Prin- zen werden: ein ganzes Jahrhundert beinahe konnte im Strome praͤchtiger Luͤgen fortgehen — „ach „Sire! wo findet man alsdenn jemand, der Zaͤhne „hat?„ wer wird alsdenn den Charakter, die Denkungsart, die Wahrheit eines Fuͤrſten aus deſſen Muͤnzen leſen wollen? Des Fuͤrſten Hauptbeſchaͤftigung etwa koͤnnte he-
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Drittes Waͤldchen.
„gnuͤgte, keinen geringern Beweis von der damals
„in Frankreich herrſchenden Schmeichelei und all-
„gemeinen Bemuͤhung, den Koͤnig leichtſinnig zu
„vergoͤttern, als jener Biſchof, welcher von dem
„Strome der Niedertraͤchtigkeit, als ihm Lud-
„wig —„ ich kann den Redneriſchen Ton bei dem
Geſchichtchen eines Biſchofs, der Ludwigen zu gefal-
len keine Zaͤhne haben will, nicht aushalten —
fuͤhlt denn Hr. Kl. nicht, daß dies eine Geſchicht-
chen ſein ganzes Syſtem der Hieroſcopie aus Muͤn-
zen umwerfe? Konnte eine ganze Akademie, die
dafuͤr bezahlt wurde, auf ihren Muͤnzen nichts als
ſchmeicheln? Kann eine Legion von Muͤnzen noch
ſo wenig Zeuginn uͤber den Charakter eines Prin-
zen werden: ein ganzes Jahrhundert beinahe konnte
im Strome praͤchtiger Luͤgen fortgehen — „ach
„Sire! wo findet man alsdenn jemand, der Zaͤhne
„hat?„ wer wird alsdenn den Charakter, die
Denkungsart, die Wahrheit eines Fuͤrſten aus
deſſen Muͤnzen leſen wollen?
Des Fuͤrſten Hauptbeſchaͤftigung etwa koͤnnte
man noch endlich aus vielen Muͤnzen, am liebſten
aus allen ſeinen zuſammen genommen, erſehen:
ohngefaͤhr die Richtung ſeiner Naſe und das Pro-
fil ſeines Geſichts. Aber Geiſt, Denkungsart,
hiſtoriſcher Charakter, Wahrheit? — Alle Muͤn-
zen haben gleichſam den Ton, den ſie als Muͤnzen
anſtimmen muͤſſen; ſo wie eine Epopee, eine Er-
he-
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