Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 3. Riga, 1769.

Bild:
<< vorherige Seite

Drittes Wäldchen.
Bild, und jener nur eine unterliegende Vorstellung.
Daß die Alten eben so gedacht haben, bezeugen eine
Menge Gemmen, und Gemälde, die ja doch ei-
gentlichere Kunstwerke, als Münzen, sind --

Nebenfiguren also aber, wenn sie auch selbst Haupt-
figuren wären: noch sind sie auf Münzen nichts,
als Revers; man kehre um, so hat man die Deu-
tung. Das ekle Auge meines Verfassers, das
sich an Griechische Schönheit gewöhnt hat, wird
am meisten von holländischen Münzen beleidigt.
"Die Zwietracht, die Tyrannei, die Grausamkeit
"sind als Ungeheuer mit der größten Häßlichkeit
"vorgestellt" und so gleich hat Hr. Kl. den bekann-
testen Tadel ihrer Maler und ein Sprüchlein aus
Hagedorn fertig, das hier so hingehört, als Faust
aufs Auge. Auch ich sehe lieber das Schöne, als
das Häßliche, lieber das Liebliche, als Carrikatu-
ren; wie aber? wenn die Enthauptung Karls des
ersten durch kein lachendes Gesicht, und durch keine
Amors angedeutet werden konnte, und das wüten-
de vielköpfichte Volk also als ein vielköpfichtes
Schlangenungeheuer erscheint -- und neben an das
traurige Haupt des Königes auf dem Boden --
wird da nicht die Vorstellung von dem Sinne von
der Allegorie gleichsam verschlungen? Und ist dies
Bild denn anders geschlagen, als um so verschlun-
gen zu werden? und wird je eine Münze als abso-
lutes Kunstwerk gepräget? Jst sie je unter den

Grie-
F 5

Drittes Waͤldchen.
Bild, und jener nur eine unterliegende Vorſtellung.
Daß die Alten eben ſo gedacht haben, bezeugen eine
Menge Gemmen, und Gemaͤlde, die ja doch ei-
gentlichere Kunſtwerke, als Muͤnzen, ſind —

Nebenfiguren alſo aber, wenn ſie auch ſelbſt Haupt-
figuren waͤren: noch ſind ſie auf Muͤnzen nichts,
als Revers; man kehre um, ſo hat man die Deu-
tung. Das ekle Auge meines Verfaſſers, das
ſich an Griechiſche Schoͤnheit gewoͤhnt hat, wird
am meiſten von hollaͤndiſchen Muͤnzen beleidigt.
„Die Zwietracht, die Tyrannei, die Grauſamkeit
„ſind als Ungeheuer mit der groͤßten Haͤßlichkeit
„vorgeſtellt„ und ſo gleich hat Hr. Kl. den bekann-
teſten Tadel ihrer Maler und ein Spruͤchlein aus
Hagedorn fertig, das hier ſo hingehoͤrt, als Fauſt
aufs Auge. Auch ich ſehe lieber das Schoͤne, als
das Haͤßliche, lieber das Liebliche, als Carrikatu-
ren; wie aber? wenn die Enthauptung Karls des
erſten durch kein lachendes Geſicht, und durch keine
Amors angedeutet werden konnte, und das wuͤten-
de vielkoͤpfichte Volk alſo als ein vielkoͤpfichtes
Schlangenungeheuer erſcheint — und neben an das
traurige Haupt des Koͤniges auf dem Boden —
wird da nicht die Vorſtellung von dem Sinne von
der Allegorie gleichſam verſchlungen? Und iſt dies
Bild denn anders geſchlagen, als um ſo verſchlun-
gen zu werden? und wird je eine Muͤnze als abſo-
lutes Kunſtwerk gepraͤget? Jſt ſie je unter den

Grie-
F 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0095" n="89"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Drittes Wa&#x0364;ldchen.</hi></fw><lb/>
Bild, und jener nur eine unterliegende Vor&#x017F;tellung.<lb/>
Daß die Alten eben &#x017F;o gedacht haben, bezeugen eine<lb/>
Menge Gemmen, und Gema&#x0364;lde, die ja doch ei-<lb/>
gentlichere Kun&#x017F;twerke, als Mu&#x0364;nzen, &#x017F;ind &#x2014;</p><lb/>
          <p>Nebenfiguren al&#x017F;o aber, wenn &#x017F;ie auch &#x017F;elb&#x017F;t Haupt-<lb/>
figuren wa&#x0364;ren: noch &#x017F;ind &#x017F;ie auf Mu&#x0364;nzen nichts,<lb/>
als <hi rendition="#fr">Revers;</hi> man kehre um, &#x017F;o hat man die Deu-<lb/>
tung. Das ekle Auge meines Verfa&#x017F;&#x017F;ers, das<lb/>
&#x017F;ich an Griechi&#x017F;che Scho&#x0364;nheit gewo&#x0364;hnt hat, wird<lb/>
am mei&#x017F;ten von holla&#x0364;ndi&#x017F;chen Mu&#x0364;nzen beleidigt.<lb/>
&#x201E;Die Zwietracht, die Tyrannei, die Grau&#x017F;amkeit<lb/>
&#x201E;&#x017F;ind als Ungeheuer mit der gro&#x0364;ßten Ha&#x0364;ßlichkeit<lb/>
&#x201E;vorge&#x017F;tellt&#x201E; und &#x017F;o gleich hat Hr. Kl. den bekann-<lb/>
te&#x017F;ten Tadel ihrer Maler und ein Spru&#x0364;chlein aus<lb/>
Hagedorn fertig, das hier &#x017F;o hingeho&#x0364;rt, als Fau&#x017F;t<lb/>
aufs Auge. Auch ich &#x017F;ehe lieber das Scho&#x0364;ne, als<lb/>
das Ha&#x0364;ßliche, lieber das Liebliche, als Carrikatu-<lb/>
ren; wie aber? wenn die Enthauptung Karls des<lb/>
er&#x017F;ten durch kein lachendes Ge&#x017F;icht, und durch keine<lb/>
Amors angedeutet werden konnte, und das wu&#x0364;ten-<lb/>
de vielko&#x0364;pfichte Volk al&#x017F;o als ein vielko&#x0364;pfichtes<lb/>
Schlangenungeheuer er&#x017F;cheint &#x2014; und neben an das<lb/>
traurige Haupt des Ko&#x0364;niges auf dem Boden &#x2014;<lb/>
wird da nicht die Vor&#x017F;tellung von dem Sinne von<lb/>
der Allegorie gleich&#x017F;am ver&#x017F;chlungen? Und i&#x017F;t dies<lb/>
Bild denn anders ge&#x017F;chlagen, als um &#x017F;o ver&#x017F;chlun-<lb/>
gen zu werden? und wird je eine Mu&#x0364;nze als ab&#x017F;o-<lb/>
lutes Kun&#x017F;twerk gepra&#x0364;get? J&#x017F;t &#x017F;ie je unter den<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">F 5</fw><fw place="bottom" type="catch">Grie-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[89/0095] Drittes Waͤldchen. Bild, und jener nur eine unterliegende Vorſtellung. Daß die Alten eben ſo gedacht haben, bezeugen eine Menge Gemmen, und Gemaͤlde, die ja doch ei- gentlichere Kunſtwerke, als Muͤnzen, ſind — Nebenfiguren alſo aber, wenn ſie auch ſelbſt Haupt- figuren waͤren: noch ſind ſie auf Muͤnzen nichts, als Revers; man kehre um, ſo hat man die Deu- tung. Das ekle Auge meines Verfaſſers, das ſich an Griechiſche Schoͤnheit gewoͤhnt hat, wird am meiſten von hollaͤndiſchen Muͤnzen beleidigt. „Die Zwietracht, die Tyrannei, die Grauſamkeit „ſind als Ungeheuer mit der groͤßten Haͤßlichkeit „vorgeſtellt„ und ſo gleich hat Hr. Kl. den bekann- teſten Tadel ihrer Maler und ein Spruͤchlein aus Hagedorn fertig, das hier ſo hingehoͤrt, als Fauſt aufs Auge. Auch ich ſehe lieber das Schoͤne, als das Haͤßliche, lieber das Liebliche, als Carrikatu- ren; wie aber? wenn die Enthauptung Karls des erſten durch kein lachendes Geſicht, und durch keine Amors angedeutet werden konnte, und das wuͤten- de vielkoͤpfichte Volk alſo als ein vielkoͤpfichtes Schlangenungeheuer erſcheint — und neben an das traurige Haupt des Koͤniges auf dem Boden — wird da nicht die Vorſtellung von dem Sinne von der Allegorie gleichſam verſchlungen? Und iſt dies Bild denn anders geſchlagen, als um ſo verſchlun- gen zu werden? und wird je eine Muͤnze als abſo- lutes Kunſtwerk gepraͤget? Jſt ſie je unter den Grie- F 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische03_1769
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische03_1769/95
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 3. Riga, 1769, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische03_1769/95>, abgerufen am 23.12.2024.