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Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 2. Riga, 1769.

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Kritische Wälder.
schrift sehr gut ausgedrückt: Horatius fatetur, se
cum caeteris mortalibus insanire.
Er zält nämlich
seinem Mäcen die ganze Mannichfaltigkeit der
menschlichen Bestrebungen her: daß freilich jeder
seine Neigung habe; daß es aber keiner an ihrer
kleinen Dosis von Thorheit fehle. Der sammlet
sich olympischen Staub; dem ists sein höchster
Wunsch, ein Ziel umzufahren; den macht ein
Palmenzweig selig, wie die olympischen Götter:
groß, wie die Herren der Erde. Dieser, wenn
ihn der wandelbare Pöbel ein Paar, ein Drei
Ehrenstellen zuerkennet; jener, daß, was in Li-
byen geerndtet wird, eben in seiner, und in keines
andern Menschen Scheure liege u. s. w. kurz!
jeder hat seinen Kops, und der ist ihm sein Glücks-
gott, warum sollte ich nicht den meinen haben?
Der kann eines wilden Schweins wegen Nächte lang
unter freiem, kaltem Himmel dauren, und ich --

Me doctarum hederae, praemia frontium
Diis miscent superis: me gelidum nemus &c.

Wenn jeder auf seine Art schwärmt, warum
sollte ich nicht auch auf die meinige schwärmen? Man
lasse mir das Glück, daß ein paar Zweige auf mei-
ner Stirne mich in meiner Empfindung unter die
Götter versetzen, daß ich in kalten Hainen mit Sa-
tyren und Nymphen Umgang pflege; daß ich Alles

habe,

Kritiſche Waͤlder.
ſchrift ſehr gut ausgedruͤckt: Horatius fatetur, ſe
cum cæteris mortalibus inſanire.
Er zaͤlt naͤmlich
ſeinem Maͤcen die ganze Mannichfaltigkeit der
menſchlichen Beſtrebungen her: daß freilich jeder
ſeine Neigung habe; daß es aber keiner an ihrer
kleinen Doſis von Thorheit fehle. Der ſammlet
ſich olympiſchen Staub; dem iſts ſein hoͤchſter
Wunſch, ein Ziel umzufahren; den macht ein
Palmenzweig ſelig, wie die olympiſchen Goͤtter:
groß, wie die Herren der Erde. Dieſer, wenn
ihn der wandelbare Poͤbel ein Paar, ein Drei
Ehrenſtellen zuerkennet; jener, daß, was in Li-
byen geerndtet wird, eben in ſeiner, und in keines
andern Menſchen Scheure liege u. ſ. w. kurz!
jeder hat ſeinen Kopſ, und der iſt ihm ſein Gluͤcks-
gott, warum ſollte ich nicht den meinen haben?
Der kann eines wilden Schweins wegen Naͤchte lang
unter freiem, kaltem Himmel dauren, und ich —

Me doctarum hederæ, præmia frontium
Diis miſcent ſuperis: me gelidum nemus &c.

Wenn jeder auf ſeine Art ſchwaͤrmt, warum
ſollte ich nicht auch auf die meinige ſchwaͤrmen? Man
laſſe mir das Gluͤck, daß ein paar Zweige auf mei-
ner Stirne mich in meiner Empfindung unter die
Goͤtter verſetzen, daß ich in kalten Hainen mit Sa-
tyren und Nymphen Umgang pflege; daß ich Alles

habe,
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[212/0218] Kritiſche Waͤlder. ſchrift ſehr gut ausgedruͤckt: Horatius fatetur, ſe cum cæteris mortalibus inſanire. Er zaͤlt naͤmlich ſeinem Maͤcen die ganze Mannichfaltigkeit der menſchlichen Beſtrebungen her: daß freilich jeder ſeine Neigung habe; daß es aber keiner an ihrer kleinen Doſis von Thorheit fehle. Der ſammlet ſich olympiſchen Staub; dem iſts ſein hoͤchſter Wunſch, ein Ziel umzufahren; den macht ein Palmenzweig ſelig, wie die olympiſchen Goͤtter: groß, wie die Herren der Erde. Dieſer, wenn ihn der wandelbare Poͤbel ein Paar, ein Drei Ehrenſtellen zuerkennet; jener, daß, was in Li- byen geerndtet wird, eben in ſeiner, und in keines andern Menſchen Scheure liege u. ſ. w. kurz! jeder hat ſeinen Kopſ, und der iſt ihm ſein Gluͤcks- gott, warum ſollte ich nicht den meinen haben? Der kann eines wilden Schweins wegen Naͤchte lang unter freiem, kaltem Himmel dauren, und ich — Me doctarum hederæ, præmia frontium Diis miſcent ſuperis: me gelidum nemus &c. Wenn jeder auf ſeine Art ſchwaͤrmt, warum ſollte ich nicht auch auf die meinige ſchwaͤrmen? Man laſſe mir das Gluͤck, daß ein paar Zweige auf mei- ner Stirne mich in meiner Empfindung unter die Goͤtter verſetzen, daß ich in kalten Hainen mit Sa- tyren und Nymphen Umgang pflege; daß ich Alles habe,

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 2. Riga, 1769, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische02_1769/218>, abgerufen am 23.11.2024.