Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 10. Riga, 1797.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

weil ihm das Pistol vor der Brust
stehet."

"Friedensschlüsse sind nichtig, nicht nur
wenn in ihnen die Uebermacht Ungerech-
tigkeiten erpreßt hat, sondern auch wenn
sie mit Hinterlist zweideutig abgefaßt wer-
den, um eine günstige Zweideutigkeit gele-
gentlich geltend zu machen. Euer Feind
ist Euer Bruder; das könnt Ihr nicht ver-
gessen, ohne auf die Menschheit selbst Ver-
zicht zu thun. Bei Friedensschlüssen ist
nicht mehr von Waffen und Krieg; son-
dern von Friede, von Gerechtigkeit, Mensch-
lichkeit, Treu und Glauben die Rede. Im
Friedensschluß ein nachbarliches Volk zu
betrügen ist Ehrloser und strafbarer, als
im Contrakt eine Privatperson zu hinter-
gehen. Mit Zweideutigkeiten und ver-
fänglichen Ausdrücken im Friedensschluß
bereitet man schon den Samen zu künfti-

weil ihm das Piſtol vor der Bruſt
ſtehet.“

„Friedensſchluͤſſe ſind nichtig, nicht nur
wenn in ihnen die Uebermacht Ungerech-
tigkeiten erpreßt hat, ſondern auch wenn
ſie mit Hinterliſt zweideutig abgefaßt wer-
den, um eine guͤnſtige Zweideutigkeit gele-
gentlich geltend zu machen. Euer Feind
iſt Euer Bruder; das koͤnnt Ihr nicht ver-
geſſen, ohne auf die Menſchheit ſelbſt Ver-
zicht zu thun. Bei Friedensſchluͤſſen iſt
nicht mehr von Waffen und Krieg; ſon-
dern von Friede, von Gerechtigkeit, Menſch-
lichkeit, Treu und Glauben die Rede. Im
Friedensſchluß ein nachbarliches Volk zu
betruͤgen iſt Ehrloſer und ſtrafbarer, als
im Contrakt eine Privatperſon zu hinter-
gehen. Mit Zweideutigkeiten und ver-
faͤnglichen Ausdruͤcken im Friedensſchluß
bereitet man ſchon den Samen zu kuͤnfti-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0060" n="53"/>
weil ihm das Pi&#x017F;tol vor der Bru&#x017F;t<lb/>
&#x017F;tehet.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Friedens&#x017F;chlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ind nichtig, nicht nur<lb/>
wenn in ihnen die Uebermacht Ungerech-<lb/>
tigkeiten erpreßt hat, &#x017F;ondern auch wenn<lb/>
&#x017F;ie mit Hinterli&#x017F;t zweideutig abgefaßt wer-<lb/>
den, um eine gu&#x0364;n&#x017F;tige Zweideutigkeit gele-<lb/>
gentlich geltend zu machen. Euer Feind<lb/>
i&#x017F;t Euer Bruder; das ko&#x0364;nnt Ihr nicht ver-<lb/>
ge&#x017F;&#x017F;en, ohne auf die Men&#x017F;chheit &#x017F;elb&#x017F;t Ver-<lb/>
zicht zu thun. Bei Friedens&#x017F;chlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t<lb/>
nicht mehr von Waffen und Krieg; &#x017F;on-<lb/>
dern von Friede, von Gerechtigkeit, Men&#x017F;ch-<lb/>
lichkeit, Treu und Glauben die Rede. Im<lb/>
Friedens&#x017F;chluß ein nachbarliches Volk zu<lb/>
betru&#x0364;gen i&#x017F;t Ehrlo&#x017F;er und &#x017F;trafbarer, als<lb/>
im Contrakt eine Privatper&#x017F;on zu hinter-<lb/>
gehen. Mit Zweideutigkeiten und ver-<lb/>
fa&#x0364;nglichen Ausdru&#x0364;cken im Friedens&#x017F;chluß<lb/>
bereitet man &#x017F;chon den Samen zu ku&#x0364;nfti-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[53/0060] weil ihm das Piſtol vor der Bruſt ſtehet.“ „Friedensſchluͤſſe ſind nichtig, nicht nur wenn in ihnen die Uebermacht Ungerech- tigkeiten erpreßt hat, ſondern auch wenn ſie mit Hinterliſt zweideutig abgefaßt wer- den, um eine guͤnſtige Zweideutigkeit gele- gentlich geltend zu machen. Euer Feind iſt Euer Bruder; das koͤnnt Ihr nicht ver- geſſen, ohne auf die Menſchheit ſelbſt Ver- zicht zu thun. Bei Friedensſchluͤſſen iſt nicht mehr von Waffen und Krieg; ſon- dern von Friede, von Gerechtigkeit, Menſch- lichkeit, Treu und Glauben die Rede. Im Friedensſchluß ein nachbarliches Volk zu betruͤgen iſt Ehrloſer und ſtrafbarer, als im Contrakt eine Privatperſon zu hinter- gehen. Mit Zweideutigkeiten und ver- faͤnglichen Ausdruͤcken im Friedensſchluß bereitet man ſchon den Samen zu kuͤnfti-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet10_1797
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet10_1797/60
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 10. Riga, 1797, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet10_1797/60>, abgerufen am 25.11.2024.