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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 10. Riga, 1797.

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des Menschen edler Vorzug, das unent-
behrliche Werkzeug seiner Bestimmung.
Wissenschaft alles Wissenswürdigen, Ver-
stand alles Brauchbaren, Schönen und
Edeln ist erleuchtender Sonnenglanz in der
dunkeln Dunstkugel der Erde; er darf und
muß sich soweit erstrecken als er sich er-
strecken kann; vom letzten Nebelstern über
die gesammte Natur an die Grenzen der
werdenden Schöpfung.

Verstand ist der Gemeinschatz des mensch-
lichen Geschlechts; wir alle haben daraus
empfangen, wir alle sollen unsre besten Ge-
danken und Gesinnungen hineintragen. Wir
rechnen mit Combinationen der Vorzeit;
die Nachwelt soll mit unsern Combinatio-
nen rechnen, und allerdings geht dieser
Calcul ins Große, Weite, Unendliche hin-
aus. Wer unternimmts zu sagen, wohin
das Menschengeschlecht in seinen fortgesetz-

des Menſchen edler Vorzug, das unent-
behrliche Werkzeug ſeiner Beſtimmung.
Wiſſenſchaft alles Wiſſenswuͤrdigen, Ver-
ſtand alles Brauchbaren, Schoͤnen und
Edeln iſt erleuchtender Sonnenglanz in der
dunkeln Dunſtkugel der Erde; er darf und
muß ſich ſoweit erſtrecken als er ſich er-
ſtrecken kann; vom letzten Nebelſtern uͤber
die geſammte Natur an die Grenzen der
werdenden Schoͤpfung.

Verſtand iſt der Gemeinſchatz des menſch-
lichen Geſchlechts; wir alle haben daraus
empfangen, wir alle ſollen unſre beſten Ge-
danken und Geſinnungen hineintragen. Wir
rechnen mit Combinationen der Vorzeit;
die Nachwelt ſoll mit unſern Combinatio-
nen rechnen, und allerdings geht dieſer
Calcul ins Große, Weite, Unendliche hin-
aus. Wer unternimmts zu ſagen, wohin
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[203/0210] des Menſchen edler Vorzug, das unent- behrliche Werkzeug ſeiner Beſtimmung. Wiſſenſchaft alles Wiſſenswuͤrdigen, Ver- ſtand alles Brauchbaren, Schoͤnen und Edeln iſt erleuchtender Sonnenglanz in der dunkeln Dunſtkugel der Erde; er darf und muß ſich ſoweit erſtrecken als er ſich er- ſtrecken kann; vom letzten Nebelſtern uͤber die geſammte Natur an die Grenzen der werdenden Schoͤpfung. Verſtand iſt der Gemeinſchatz des menſch- lichen Geſchlechts; wir alle haben daraus empfangen, wir alle ſollen unſre beſten Ge- danken und Geſinnungen hineintragen. Wir rechnen mit Combinationen der Vorzeit; die Nachwelt ſoll mit unſern Combinatio- nen rechnen, und allerdings geht dieſer Calcul ins Große, Weite, Unendliche hin- aus. Wer unternimmts zu ſagen, wohin das Menſchengeſchlecht in ſeinen fortgeſetz-

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 10. Riga, 1797, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet10_1797/210>, abgerufen am 05.05.2024.