Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 10. Riga, 1797.Ruhm und Verachtung. Du Thal des Irrthums, dahinab nur selten Der Wahrheit Sonne scheinet, soll ich mich Verwundern, wenn, erhitzt von Phantasie, Die dich bewohnen schneller noch erkalten, Als glühend Eisen unter Schmiedes Hand? Du mit dem Fluch von Täuschereien schwer- Beladne Erde, soll ich staunen, wenn Auf dir Bewundrung bald Verachtung wird? Da Zufall, Glück und Gunst und eitler Schimmer Zu deiner Achtung gnug ist. Jenem, der, Den Donner in der Hand auf Nationen Verderben schleidert und der Völker Glück Zerschmettert, Jenem knieest du und rufst: Ruhm und Verachtung. Du Thal des Irrthums, dahinab nur ſelten Der Wahrheit Sonne ſcheinet, ſoll ich mich Verwundern, wenn, erhitzt von Phantaſie, Die dich bewohnen ſchneller noch erkalten, Als gluͤhend Eiſen unter Schmiedes Hand? Du mit dem Fluch von Taͤuſchereien ſchwer- Beladne Erde, ſoll ich ſtaunen, wenn Auf dir Bewundrung bald Verachtung wird? Da Zufall, Gluͤck und Gunſt und eitler Schimmer Zu deiner Achtung gnug iſt. Jenem, der, Den Donner in der Hand auf Nationen Verderben ſchleidert und der Voͤlker Gluͤck Zerſchmettert, Jenem knieeſt du und rufſt: <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0157" n="150"/> <lg type="poem"> <head><hi rendition="#g">Ruhm und Verachtung</hi>.</head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in">D</hi>u Thal des Irrthums, dahinab nur</l><lb/> <l>ſelten</l><lb/> <l>Der Wahrheit Sonne ſcheinet, ſoll ich mich</l><lb/> <l>Verwundern, wenn, erhitzt von Phantaſie,</l><lb/> <l>Die dich bewohnen ſchneller noch erkalten,</l><lb/> <l>Als gluͤhend Eiſen unter Schmiedes Hand?</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Du mit dem Fluch von Taͤuſchereien ſchwer-</l><lb/> <l>Beladne Erde, ſoll ich ſtaunen, wenn</l><lb/> <l>Auf dir Bewundrung bald Verachtung wird?</l><lb/> <l>Da Zufall, Gluͤck und Gunſt und eitler</l><lb/> <l>Schimmer</l><lb/> <l>Zu deiner Achtung gnug iſt.</l><lb/> <l>Jenem, der,</l><lb/> <l>Den Donner in der Hand auf Nationen</l><lb/> <l>Verderben ſchleidert und der Voͤlker Gluͤck</l><lb/> <l>Zerſchmettert, Jenem knieeſt du und rufſt:</l><lb/> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [150/0157]
Ruhm und Verachtung.
Du Thal des Irrthums, dahinab nur
ſelten
Der Wahrheit Sonne ſcheinet, ſoll ich mich
Verwundern, wenn, erhitzt von Phantaſie,
Die dich bewohnen ſchneller noch erkalten,
Als gluͤhend Eiſen unter Schmiedes Hand?
Du mit dem Fluch von Taͤuſchereien ſchwer-
Beladne Erde, ſoll ich ſtaunen, wenn
Auf dir Bewundrung bald Verachtung wird?
Da Zufall, Gluͤck und Gunſt und eitler
Schimmer
Zu deiner Achtung gnug iſt.
Jenem, der,
Den Donner in der Hand auf Nationen
Verderben ſchleidert und der Voͤlker Gluͤck
Zerſchmettert, Jenem knieeſt du und rufſt:
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