Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 10. Riga, 1797.

Bild:
<< vorherige Seite

dengeist nicht nur ein Würgengel der
Menschheit sei, sondern auch in seinen Ta-
lenten lange nicht die Achtung und den
Ruhm verdiene, die man ihm aus Tradi-
tion von Griechen, Römern und Barbaren
her zollet. So viel Gegenwart des Gei-
stes, so viel zusammenfassende Vorsicht und
Voraussicht und schnellen Blick er fodern
möge: so wird der edelste Held vor und
nach der Schlacht nicht nur das Geschäft
beweinen, dem er seine Gaben aufopfert,
sondern auch gern gestehen, daß um Va-
ter eines Volks zu seyn, wenn nicht
mehr, so doch edlere Gaben in fortge-
hender Bemühung und ein Charak-
ter erfodert werde; ein Charakter, der
seinen Kampfpreis weder Einem Tage zu
verdanken hat, noch ihn mit dem Zufall
oder dem blinden Glück theilet. Alle Ver-
ständige sollten sich vereinigen, durch echte

dengeiſt nicht nur ein Wuͤrgengel der
Menſchheit ſei, ſondern auch in ſeinen Ta-
lenten lange nicht die Achtung und den
Ruhm verdiene, die man ihm aus Tradi-
tion von Griechen, Roͤmern und Barbaren
her zollet. So viel Gegenwart des Gei-
ſtes, ſo viel zuſammenfaſſende Vorſicht und
Vorausſicht und ſchnellen Blick er fodern
moͤge: ſo wird der edelſte Held vor und
nach der Schlacht nicht nur das Geſchaͤft
beweinen, dem er ſeine Gaben aufopfert,
ſondern auch gern geſtehen, daß um Va-
ter eines Volks zu ſeyn, wenn nicht
mehr, ſo doch edlere Gaben in fortge-
hender Bemuͤhung und ein Charak-
ter erfodert werde; ein Charakter, der
ſeinen Kampfpreis weder Einem Tage zu
verdanken hat, noch ihn mit dem Zufall
oder dem blinden Gluͤck theilet. Alle Ver-
ſtaͤndige ſollten ſich vereinigen, durch echte

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0137" n="130"/><hi rendition="#g">dengei&#x017F;t</hi> nicht nur ein Wu&#x0364;rgengel der<lb/>
Men&#x017F;chheit &#x017F;ei, &#x017F;ondern auch in &#x017F;einen Ta-<lb/>
lenten lange nicht die Achtung und den<lb/>
Ruhm verdiene, die man ihm aus Tradi-<lb/>
tion von Griechen, Ro&#x0364;mern und Barbaren<lb/>
her zollet. So viel Gegenwart des Gei-<lb/>
&#x017F;tes, &#x017F;o viel zu&#x017F;ammenfa&#x017F;&#x017F;ende Vor&#x017F;icht und<lb/>
Voraus&#x017F;icht und &#x017F;chnellen Blick er fodern<lb/>
mo&#x0364;ge: &#x017F;o wird der edel&#x017F;te Held vor und<lb/>
nach der Schlacht nicht nur das Ge&#x017F;cha&#x0364;ft<lb/>
beweinen, dem er &#x017F;eine Gaben aufopfert,<lb/>
&#x017F;ondern auch gern ge&#x017F;tehen, daß um <hi rendition="#g">Va</hi>-<lb/><hi rendition="#g">ter eines Volks</hi> zu &#x017F;eyn, wenn nicht<lb/>
mehr, &#x017F;o doch edlere Gaben in <hi rendition="#g">fortge</hi>-<lb/><hi rendition="#g">hender Bemu&#x0364;hung</hi> und ein <hi rendition="#g">Charak</hi>-<lb/><hi rendition="#g">ter</hi> erfodert werde; ein <hi rendition="#g">Charakter</hi>, der<lb/>
&#x017F;einen Kampfpreis weder Einem Tage zu<lb/>
verdanken hat, noch ihn mit dem Zufall<lb/>
oder dem blinden Glu&#x0364;ck theilet. Alle Ver-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;ndige &#x017F;ollten &#x017F;ich vereinigen, durch echte<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[130/0137] dengeiſt nicht nur ein Wuͤrgengel der Menſchheit ſei, ſondern auch in ſeinen Ta- lenten lange nicht die Achtung und den Ruhm verdiene, die man ihm aus Tradi- tion von Griechen, Roͤmern und Barbaren her zollet. So viel Gegenwart des Gei- ſtes, ſo viel zuſammenfaſſende Vorſicht und Vorausſicht und ſchnellen Blick er fodern moͤge: ſo wird der edelſte Held vor und nach der Schlacht nicht nur das Geſchaͤft beweinen, dem er ſeine Gaben aufopfert, ſondern auch gern geſtehen, daß um Va- ter eines Volks zu ſeyn, wenn nicht mehr, ſo doch edlere Gaben in fortge- hender Bemuͤhung und ein Charak- ter erfodert werde; ein Charakter, der ſeinen Kampfpreis weder Einem Tage zu verdanken hat, noch ihn mit dem Zufall oder dem blinden Gluͤck theilet. Alle Ver- ſtaͤndige ſollten ſich vereinigen, durch echte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet10_1797
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet10_1797/137
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 10. Riga, 1797, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet10_1797/137>, abgerufen am 03.12.2024.