Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 10. Riga, 1797.

Bild:
<< vorherige Seite

Einmüthig reichten Untergang und Tod
Die Hände sich, und schritten vor dem Heer.

Da schlug in mir das Herz noch eins so
stark:
"O Rüstung zum Verderben! sprach ich, tief
Im Winkel meiner Brust. -- Allmächtiger!
Wir können keinen Floh erschaffen, und
Wir tödten Menschen. Blut vergießen wir,
Und loben Dich."
Mein Herz schlug stärker; ich
Trat in den Sumpf. Vergeblich mühte sich
Mein Fuß den Schuh hinauszuziehen. Vest
War er. Die tapfern Heere schritten fort;
Die Lanzen blinkten; Schwerter funkelten;
Ein Feldgeschrei, ein wüstes Sausen füllte
Mein Ohr; ich stand betäubt und sprach also
Zu meinem Schuh:
Wie? mein Begleiter, jetzt
Verlässest du mich, und erwartest lieber
Den Moder hier? Und soll ich dich denn auch
Verlassen, wie in dieser Welt zuletzt

Einmuͤthig reichten Untergang und Tod
Die Haͤnde ſich, und ſchritten vor dem Heer.

Da ſchlug in mir das Herz noch eins ſo
ſtark:
„O Ruͤſtung zum Verderben! ſprach ich, tief
Im Winkel meiner Bruſt. — Allmaͤchtiger!
Wir koͤnnen keinen Floh erſchaffen, und
Wir toͤdten Menſchen. Blut vergießen wir,
Und loben Dich.“
Mein Herz ſchlug ſtaͤrker; ich
Trat in den Sumpf. Vergeblich muͤhte ſich
Mein Fuß den Schuh hinauszuziehen. Veſt
War er. Die tapfern Heere ſchritten fort;
Die Lanzen blinkten; Schwerter funkelten;
Ein Feldgeſchrei, ein wuͤſtes Sauſen fuͤllte
Mein Ohr; ich ſtand betaͤubt und ſprach alſo
Zu meinem Schuh:
Wie? mein Begleiter, jetzt
Verlaͤſſeſt du mich, und erwarteſt lieber
Den Moder hier? Und ſoll ich dich denn auch
Verlaſſen, wie in dieſer Welt zuletzt
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <pb facs="#f0129" n="122"/>
              <l>Einmu&#x0364;thig reichten <hi rendition="#g">Untergang</hi> und <hi rendition="#g">Tod</hi></l><lb/>
              <l>Die Ha&#x0364;nde &#x017F;ich, und &#x017F;chritten vor dem Heer.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Da &#x017F;chlug in mir das Herz noch eins &#x017F;o</l><lb/>
              <l>&#x017F;tark:</l><lb/>
              <l>&#x201E;O Ru&#x0364;&#x017F;tung zum Verderben! &#x017F;prach ich, tief</l><lb/>
              <l>Im Winkel meiner Bru&#x017F;t. &#x2014; Allma&#x0364;chtiger!</l><lb/>
              <l>Wir ko&#x0364;nnen keinen Floh er&#x017F;chaffen, und</l><lb/>
              <l>Wir to&#x0364;dten Men&#x017F;chen. Blut vergießen wir,</l><lb/>
              <l>Und loben Dich.&#x201C;</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Mein Herz &#x017F;chlug &#x017F;ta&#x0364;rker; ich</l><lb/>
              <l>Trat in den Sumpf. Vergeblich mu&#x0364;hte &#x017F;ich</l><lb/>
              <l>Mein Fuß den Schuh hinauszuziehen. Ve&#x017F;t</l><lb/>
              <l>War er. Die tapfern Heere &#x017F;chritten fort;</l><lb/>
              <l>Die Lanzen blinkten; Schwerter funkelten;</l><lb/>
              <l>Ein Feldge&#x017F;chrei, ein wu&#x0364;&#x017F;tes Sau&#x017F;en fu&#x0364;llte</l><lb/>
              <l>Mein Ohr; ich &#x017F;tand beta&#x0364;ubt und &#x017F;prach al&#x017F;o</l><lb/>
              <l>Zu meinem Schuh:</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <l>Wie? mein Begleiter, jetzt</l><lb/>
              <l>Verla&#x0364;&#x017F;&#x017F;e&#x017F;t du mich, und erwarte&#x017F;t lieber</l><lb/>
              <l>Den Moder hier? Und &#x017F;oll ich dich denn auch</l><lb/>
              <l>Verla&#x017F;&#x017F;en, wie in die&#x017F;er Welt zuletzt</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[122/0129] Einmuͤthig reichten Untergang und Tod Die Haͤnde ſich, und ſchritten vor dem Heer. Da ſchlug in mir das Herz noch eins ſo ſtark: „O Ruͤſtung zum Verderben! ſprach ich, tief Im Winkel meiner Bruſt. — Allmaͤchtiger! Wir koͤnnen keinen Floh erſchaffen, und Wir toͤdten Menſchen. Blut vergießen wir, Und loben Dich.“ Mein Herz ſchlug ſtaͤrker; ich Trat in den Sumpf. Vergeblich muͤhte ſich Mein Fuß den Schuh hinauszuziehen. Veſt War er. Die tapfern Heere ſchritten fort; Die Lanzen blinkten; Schwerter funkelten; Ein Feldgeſchrei, ein wuͤſtes Sauſen fuͤllte Mein Ohr; ich ſtand betaͤubt und ſprach alſo Zu meinem Schuh: Wie? mein Begleiter, jetzt Verlaͤſſeſt du mich, und erwarteſt lieber Den Moder hier? Und ſoll ich dich denn auch Verlaſſen, wie in dieſer Welt zuletzt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet10_1797
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet10_1797/129
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 10. Riga, 1797, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet10_1797/129>, abgerufen am 24.11.2024.