bringe, so liegt die Schuld gewiß nicht an mir allein. Ich thue was ich kann, und jeder thue nur eben so viel.
So dachte Leßing und so habe Ers denn seiner eignen Nemesis Dank, daß nach dem Maas, nach dem er fremde Handschriften hervorzog, die Seinigen auch ans Licht gestellt werden. Ehre gnug für Jeden, Schriftsteller oder nicht, dessen klein- stes Blättchen, dessen eiligster Brief mit so viel Ehre ans Licht treten darf!
Gens sui tantum similis, ein gar ab- sunderliches Volk sind wir Deutsche. Unsre Nachbarn rühmen sich ihrer Schriftsteller; sie sammlen ihre Werke, Aufsätze, Briefe, Fragmente mit größestem Fleiß und setzen darin ein edles Eigen- thum, eine Nationalehre. So sind (nur wenige anzuführen,) in Frankreich die Wer- ke nicht etwa nur der Corneille, Ra-
cine,
bringe, ſo liegt die Schuld gewiß nicht an mir allein. Ich thue was ich kann, und jeder thue nur eben ſo viel.
So dachte Leßing und ſo habe Ers denn ſeiner eignen Nemeſis Dank, daß nach dem Maas, nach dem er fremde Handſchriften hervorzog, die Seinigen auch ans Licht geſtellt werden. Ehre gnug fuͤr Jeden, Schriftſteller oder nicht, deſſen klein- ſtes Blaͤttchen, deſſen eiligſter Brief mit ſo viel Ehre ans Licht treten darf!
Gens sui tantum similis, ein gar ab- ſunderliches Volk ſind wir Deutſche. Unſre Nachbarn ruͤhmen ſich ihrer Schriftſteller; ſie ſammlen ihre Werke, Aufſaͤtze, Briefe, Fragmente mit groͤßeſtem Fleiß und ſetzen darin ein edles Eigen- thum, eine Nationalehre. So ſind (nur wenige anzufuͤhren,) in Frankreich die Wer- ke nicht etwa nur der Corneille, Ra-
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bringe, ſo liegt die Schuld gewiß nicht an
mir allein. Ich thue was ich kann, und
jeder thue nur eben ſo viel.
So dachte Leßing und ſo habe Ers
denn ſeiner eignen Nemeſis Dank, daß
nach dem Maas, nach dem er fremde
Handſchriften hervorzog, die Seinigen auch
ans Licht geſtellt werden. Ehre gnug fuͤr
Jeden, Schriftſteller oder nicht, deſſen klein-
ſtes Blaͤttchen, deſſen eiligſter Brief mit ſo
viel Ehre ans Licht treten darf!
Gens sui tantum similis, ein gar ab-
ſunderliches Volk ſind wir Deutſche.
Unſre Nachbarn ruͤhmen ſich ihrer
Schriftſteller; ſie ſammlen ihre Werke,
Aufſaͤtze, Briefe, Fragmente mit groͤßeſtem
Fleiß und ſetzen darin ein edles Eigen-
thum, eine Nationalehre. So ſind (nur
wenige anzufuͤhren,) in Frankreich die Wer-
ke nicht etwa nur der Corneille, Ra-
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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 9. Riga, 1797, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet09_1797/167>, abgerufen am 16.02.2025.
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