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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 8. Riga, 1796.

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Tages- und Zeitschriften zufliegen und in
jedem nur fünf Stimmen zutönen; wo hast
du am Ende deinen Kopf? wo behältst du
Zeit zu eignem Nachdenken und zu Ge-
schäften? Offenbar hats unsre gedruckte Lite-
ratur darauf angelegt, den armen mensch-
lichen Geist völlig zu verwirren, und ihm
alle Nüchternheit, Kraft und Zeit zu einer
stillen und edlen Selbstbildung zu rauben.
Selbst in der Gesellschaft sind die mensch-
lichen Stimmen verhallet; Romane spre-
chen und Journale.

Diderot hat irgendwo die Frage an
sich gethan, die wohl jeder thut, wenn er
aufs Land oder auf eine Reise gehet:
"welche Bücher er als Freunde mit sich
nehmen möchte?" Wie im Leben so hat
auch im Lesen der Mann von Herz nur
wenige geprüfte Freunde; und bei eigner
Composition bleibet er gern allein.

Tages- und Zeitſchriften zufliegen und in
jedem nur fuͤnf Stimmen zutoͤnen; wo haſt
du am Ende deinen Kopf? wo behaͤltſt du
Zeit zu eignem Nachdenken und zu Ge-
ſchaͤften? Offenbar hats unſre gedruckte Lite-
ratur darauf angelegt, den armen menſch-
lichen Geiſt voͤllig zu verwirren, und ihm
alle Nuͤchternheit, Kraft und Zeit zu einer
ſtillen und edlen Selbſtbildung zu rauben.
Selbſt in der Geſellſchaft ſind die menſch-
lichen Stimmen verhallet; Romane ſpre-
chen und Journale.

Diderot hat irgendwo die Frage an
ſich gethan, die wohl jeder thut, wenn er
aufs Land oder auf eine Reiſe gehet:
„welche Buͤcher er als Freunde mit ſich
nehmen moͤchte?“ Wie im Leben ſo hat
auch im Leſen der Mann von Herz nur
wenige gepruͤfte Freunde; und bei eigner
Compoſition bleibet er gern allein.

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[53/0072] Tages- und Zeitſchriften zufliegen und in jedem nur fuͤnf Stimmen zutoͤnen; wo haſt du am Ende deinen Kopf? wo behaͤltſt du Zeit zu eignem Nachdenken und zu Ge- ſchaͤften? Offenbar hats unſre gedruckte Lite- ratur darauf angelegt, den armen menſch- lichen Geiſt voͤllig zu verwirren, und ihm alle Nuͤchternheit, Kraft und Zeit zu einer ſtillen und edlen Selbſtbildung zu rauben. Selbſt in der Geſellſchaft ſind die menſch- lichen Stimmen verhallet; Romane ſpre- chen und Journale. Diderot hat irgendwo die Frage an ſich gethan, die wohl jeder thut, wenn er aufs Land oder auf eine Reiſe gehet: „welche Buͤcher er als Freunde mit ſich nehmen moͤchte?“ Wie im Leben ſo hat auch im Leſen der Mann von Herz nur wenige gepruͤfte Freunde; und bei eigner Compoſition bleibet er gern allein.

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 8. Riga, 1796, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet08_1796/72>, abgerufen am 27.11.2024.