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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 8. Riga, 1796.

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stalt unter einem eisernen Harnisch sicht-
bar. Alles Geklirr an Mann und Roß
kann uns, wo Verstand, Zweck, Ebenmaas,
Güte des Herzens fehlt, kein Klang einer
himmlischen Muse werden. --

Warum ist jene übertriebene An-
dacht, jenes Haschen nach dem Unendli-
chen, das Calculiren der Gottheit in un-
nennbaren Gefühlen ein falscher Geschmack?
Weil sie eine Uebervernunft sind, die
weder in Sprache noch Kunst einen Aus-
druck findet. Das Unermeßliche hat kein
Maas; das Unendliche hat keinen Aus-
druck. Je länger Du also an diesen Tie-
fen schwindelst, desto mehr verwirret sich
deine Zunge, wie sich dein Haupt verwirrte;
du sagst nichts, wenn du etwas Unaus-
sprechliches sagen wolltest. -- Schwieg
nicht jener Entzückte von dem, was er im
dritten Himmel gesehen hatte? Alle wahre

ſtalt unter einem eiſernen Harniſch ſicht-
bar. Alles Geklirr an Mann und Roß
kann uns, wo Verſtand, Zweck, Ebenmaas,
Guͤte des Herzens fehlt, kein Klang einer
himmliſchen Muſe werden. —

Warum iſt jene uͤbertriebene An-
dacht, jenes Haſchen nach dem Unendli-
chen, das Calculiren der Gottheit in un-
nennbaren Gefuͤhlen ein falſcher Geſchmack?
Weil ſie eine Uebervernunft ſind, die
weder in Sprache noch Kunſt einen Aus-
druck findet. Das Unermeßliche hat kein
Maas; das Unendliche hat keinen Aus-
druck. Je laͤnger Du alſo an dieſen Tie-
fen ſchwindelſt, deſto mehr verwirret ſich
deine Zunge, wie ſich dein Haupt verwirrte;
du ſagſt nichts, wenn du etwas Unaus-
ſprechliches ſagen wollteſt. — Schwieg
nicht jener Entzuͤckte von dem, was er im
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[8/0027] ſtalt unter einem eiſernen Harniſch ſicht- bar. Alles Geklirr an Mann und Roß kann uns, wo Verſtand, Zweck, Ebenmaas, Guͤte des Herzens fehlt, kein Klang einer himmliſchen Muſe werden. — Warum iſt jene uͤbertriebene An- dacht, jenes Haſchen nach dem Unendli- chen, das Calculiren der Gottheit in un- nennbaren Gefuͤhlen ein falſcher Geſchmack? Weil ſie eine Uebervernunft ſind, die weder in Sprache noch Kunſt einen Aus- druck findet. Das Unermeßliche hat kein Maas; das Unendliche hat keinen Aus- druck. Je laͤnger Du alſo an dieſen Tie- fen ſchwindelſt, deſto mehr verwirret ſich deine Zunge, wie ſich dein Haupt verwirrte; du ſagſt nichts, wenn du etwas Unaus- ſprechliches ſagen wollteſt. — Schwieg nicht jener Entzuͤckte von dem, was er im dritten Himmel geſehen hatte? Alle wahre

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 8. Riga, 1796, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet08_1796/27>, abgerufen am 26.04.2024.