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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 8. Riga, 1796.

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müths vollkommenster Ausdruck. Kein
Dichter kann dem Gesetz entgehen, das
in ihr liegt; er zeigt, was er hat und
nicht habe.

Auch kann man in ihr Ohr und Auge
nicht sondern. Die Poesie ist keine bloße
Malerei oder Statuistik, die Gemählde
wie sie sind, ohne Absicht darstellen könnte;
sie ist Rede und hat Absicht. Auf den
innern Sinn wirket sie, nicht auf das
äußere Künstlerauge; und zu jenem innern
Sinn gehört bei einem gebildeten oder zu
bildenden Menschen Gemüth, morali-
sche Natur, mithin bei dem Dichter
vernünftige und humane Absicht.
Die Rede hat etwas Unendliches in
sich; sie macht tiefe Eindrücke, die ja eben
die Poesie durch ihre harmonische Kunst
verstärket. Nie kann also der Dichter blos
ein Mahler seyn wollen. Er ist Künstler

muͤths vollkommenſter Ausdruck. Kein
Dichter kann dem Geſetz entgehen, das
in ihr liegt; er zeigt, was er hat und
nicht habe.

Auch kann man in ihr Ohr und Auge
nicht ſondern. Die Poeſie iſt keine bloße
Malerei oder Statuiſtik, die Gemaͤhlde
wie ſie ſind, ohne Abſicht darſtellen koͤnnte;
ſie iſt Rede und hat Abſicht. Auf den
innern Sinn wirket ſie, nicht auf das
aͤußere Kuͤnſtlerauge; und zu jenem innern
Sinn gehoͤrt bei einem gebildeten oder zu
bildenden Menſchen Gemuͤth, morali-
ſche Natur, mithin bei dem Dichter
vernuͤnftige und humane Abſicht.
Die Rede hat etwas Unendliches in
ſich; ſie macht tiefe Eindruͤcke, die ja eben
die Poeſie durch ihre harmoniſche Kunſt
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[186/0205] muͤths vollkommenſter Ausdruck. Kein Dichter kann dem Geſetz entgehen, das in ihr liegt; er zeigt, was er hat und nicht habe. Auch kann man in ihr Ohr und Auge nicht ſondern. Die Poeſie iſt keine bloße Malerei oder Statuiſtik, die Gemaͤhlde wie ſie ſind, ohne Abſicht darſtellen koͤnnte; ſie iſt Rede und hat Abſicht. Auf den innern Sinn wirket ſie, nicht auf das aͤußere Kuͤnſtlerauge; und zu jenem innern Sinn gehoͤrt bei einem gebildeten oder zu bildenden Menſchen Gemuͤth, morali- ſche Natur, mithin bei dem Dichter vernuͤnftige und humane Abſicht. Die Rede hat etwas Unendliches in ſich; ſie macht tiefe Eindruͤcke, die ja eben die Poeſie durch ihre harmoniſche Kunſt verſtaͤrket. Nie kann alſo der Dichter blos ein Mahler ſeyn wollen. Er iſt Kuͤnſtler

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 8. Riga, 1796, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet08_1796/205>, abgerufen am 27.11.2024.