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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 8. Riga, 1796.

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Gestalten aber singt auch Homer auf die
höchste Weise menschlich; wo es uns nicht
also scheinet, liegt der Unterschied an der
Denkart der Zeiten und ist sehr erklärbar.
Ich getraue mich, in den Griechen jede
reine menschliche Gesinnung, vielleicht im
schönsten Maas und Ausdruck, aufzufin-
den; nur alles an Ort und Stelle. Ari-
stoteles Poetik hat Fabel, Charak-
tere, Leidenschaften, Gesinnungen
unübertreflich geordnet.

Zu allen Zeiten war der Mensch der-
selbe; nur er äußerte sich jedesmal nach
der Verfassung, in der er lebte. Sehr
mannichfaltig ist die Poesie der Griechen
und Römer! in ihren Wünschen und Kla-
gen, in ihren Beschreibungen voll Lust
und Freude. So die Poesie der Mönche,
der Araber, der Neueren. Den großen
Unterschied, der zwischen dem Morgen-

Geſtalten aber ſingt auch Homer auf die
hoͤchſte Weiſe menſchlich; wo es uns nicht
alſo ſcheinet, liegt der Unterſchied an der
Denkart der Zeiten und iſt ſehr erklaͤrbar.
Ich getraue mich, in den Griechen jede
reine menſchliche Geſinnung, vielleicht im
ſchoͤnſten Maas und Ausdruck, aufzufin-
den; nur alles an Ort und Stelle. Ari-
ſtoteles Poëtik hat Fabel, Charak-
tere, Leidenſchaften, Geſinnungen
unuͤbertreflich geordnet.

Zu allen Zeiten war der Menſch der-
ſelbe; nur er aͤußerte ſich jedesmal nach
der Verfaſſung, in der er lebte. Sehr
mannichfaltig iſt die Poeſie der Griechen
und Roͤmer! in ihren Wuͤnſchen und Kla-
gen, in ihren Beſchreibungen voll Luſt
und Freude. So die Poeſie der Moͤnche,
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[184/0203] Geſtalten aber ſingt auch Homer auf die hoͤchſte Weiſe menſchlich; wo es uns nicht alſo ſcheinet, liegt der Unterſchied an der Denkart der Zeiten und iſt ſehr erklaͤrbar. Ich getraue mich, in den Griechen jede reine menſchliche Geſinnung, vielleicht im ſchoͤnſten Maas und Ausdruck, aufzufin- den; nur alles an Ort und Stelle. Ari- ſtoteles Poëtik hat Fabel, Charak- tere, Leidenſchaften, Geſinnungen unuͤbertreflich geordnet. Zu allen Zeiten war der Menſch der- ſelbe; nur er aͤußerte ſich jedesmal nach der Verfaſſung, in der er lebte. Sehr mannichfaltig iſt die Poeſie der Griechen und Roͤmer! in ihren Wuͤnſchen und Kla- gen, in ihren Beſchreibungen voll Luſt und Freude. So die Poeſie der Moͤnche, der Araber, der Neueren. Den großen Unterſchied, der zwiſchen dem Morgen-

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 8. Riga, 1796, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet08_1796/203>, abgerufen am 23.11.2024.