Rechtliche Ehrlichkeit also, Richtigkeit in Gedanken, Stärke im Willen und Aus- druck, dabei Gutmüthigkeit, Bereitschaft zu helfen und zu dienen; dies ist die Gemüthsart unsres Volks, die es auch im Nachahmen, selbst im ungeschickten Nachahmen des Fremden nie verläugnen konnte. Denn woher fiel das Nachahmen der Deutschen oft so ungeschickt aus? Weil sie es allenthalben zu ehrlich meinten, so wurden sie oft getäuscht und betrogen. Die ganze Nachahmungssucht der Deut- schen rührt von ihrer Gutmüthigkeit her. Sie dachten zu bescheiden von sich, und wollten immer lernen, auch wo sie allenfalls lehren konnten. Der üble Ge- schmack, in den sie sich zu Hofmanns- waldau und Lohensteins, zu Talan- ders, Weise und Menantes Zeiten stürzten, rührte von ihrer gutmüthigen Ge-
Rechtliche Ehrlichkeit alſo, Richtigkeit in Gedanken, Staͤrke im Willen und Aus- druck, dabei Gutmuͤthigkeit, Bereitſchaft zu helfen und zu dienen; dies iſt die Gemuͤthsart unſres Volks, die es auch im Nachahmen, ſelbſt im ungeſchickten Nachahmen des Fremden nie verlaͤugnen konnte. Denn woher fiel das Nachahmen der Deutſchen oft ſo ungeſchickt aus? Weil ſie es allenthalben zu ehrlich meinten, ſo wurden ſie oft getaͤuſcht und betrogen. Die ganze Nachahmungsſucht der Deut- ſchen ruͤhrt von ihrer Gutmuͤthigkeit her. Sie dachten zu beſcheiden von ſich, und wollten immer lernen, auch wo ſie allenfalls lehren konnten. Der uͤble Ge- ſchmack, in den ſie ſich zu Hofmanns- waldau und Lohenſteins, zu Talan- ders, Weiſe und Menantes Zeiten ſtuͤrzten, ruͤhrte von ihrer gutmuͤthigen Ge-
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Rechtliche Ehrlichkeit alſo, Richtigkeit
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im Nachahmen, ſelbſt im ungeſchickten
Nachahmen des Fremden nie verlaͤugnen
konnte. Denn woher fiel das Nachahmen
der Deutſchen oft ſo ungeſchickt aus? Weil
ſie es allenthalben zu ehrlich meinten,
ſo wurden ſie oft getaͤuſcht und betrogen.
Die ganze Nachahmungsſucht der Deut-
ſchen ruͤhrt von ihrer Gutmuͤthigkeit
her. Sie dachten zu beſcheiden von ſich,
und wollten immer lernen, auch wo ſie
allenfalls lehren konnten. Der uͤble Ge-
ſchmack, in den ſie ſich zu Hofmanns-
waldau und Lohenſteins, zu Talan-
ders, Weiſe und Menantes Zeiten
ſtuͤrzten, ruͤhrte von ihrer gutmuͤthigen Ge-
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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 8. Riga, 1796, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet08_1796/139>, abgerufen am 16.02.2025.
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