gar Griechen und Römern anzuschliessen und zu fügen. Unter der Bearbeitung jedes eigenthümlichen Geistes wird sie gleichsam eine neue, ihm eigne Sprache.
Mithin halte ichs nicht nur für keine Schande, wenn man uns Nachahmung vorwirft; vielmehr vermehrt es den Reich- thum unsrer Gedanken und Wendungen, unsrer Vorstellungs- und Sprachweisen, wenn wir, wie keine andre Nation thun kann, die Gestalt fremder Idiome mit überlegendem Verstande und weiser Hand nachbilden. Möge Hagedorn dem Ho- raz, dem Pope, Chaulieu und vielen andern, die er nicht verschwiegen, möge Gleim dem Anakreon und wenn man will, auch dem Aesop, Phädrus, Tyr- täus, Moncrif, Bernard u. f. nach- geahmt haben; ahmten sie als Männer nach, also daß ihre Nachbildung in unsrer
gar Griechen und Roͤmern anzuſchlieſſen und zu fuͤgen. Unter der Bearbeitung jedes eigenthuͤmlichen Geiſtes wird ſie gleichſam eine neue, ihm eigne Sprache.
Mithin halte ichs nicht nur fuͤr keine Schande, wenn man uns Nachahmung vorwirft; vielmehr vermehrt es den Reich- thum unſrer Gedanken und Wendungen, unſrer Vorſtellungs- und Sprachweiſen, wenn wir, wie keine andre Nation thun kann, die Geſtalt fremder Idiome mit uͤberlegendem Verſtande und weiſer Hand nachbilden. Moͤge Hagedorn dem Ho- raz, dem Pope, Chaulieu und vielen andern, die er nicht verſchwiegen, moͤge Gleim dem Anakreon und wenn man will, auch dem Aeſop, Phaͤdrus, Tyr- taͤus, Moncrif, Bernard u. f. nach- geahmt haben; ahmten ſie als Maͤnner nach, alſo daß ihre Nachbildung in unſrer
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gar Griechen und Roͤmern anzuſchlieſſen
und zu fuͤgen. Unter der Bearbeitung jedes
eigenthuͤmlichen Geiſtes wird ſie gleichſam
eine neue, ihm eigne Sprache.
Mithin halte ichs nicht nur fuͤr keine
Schande, wenn man uns Nachahmung
vorwirft; vielmehr vermehrt es den Reich-
thum unſrer Gedanken und Wendungen,
unſrer Vorſtellungs- und Sprachweiſen,
wenn wir, wie keine andre Nation thun
kann, die Geſtalt fremder Idiome mit
uͤberlegendem Verſtande und weiſer Hand
nachbilden. Moͤge Hagedorn dem Ho-
raz, dem Pope, Chaulieu und vielen
andern, die er nicht verſchwiegen, moͤge
Gleim dem Anakreon und wenn man
will, auch dem Aeſop, Phaͤdrus, Tyr-
taͤus, Moncrif, Bernard u. f. nach-
geahmt haben; ahmten ſie als Maͤnner
nach, alſo daß ihre Nachbildung in unſrer
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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 8. Riga, 1796, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet08_1796/135>, abgerufen am 16.02.2025.
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