Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 8. Riga, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

durch Nachahmung ist der Mensch zur
Kunst gelanget; nur durch sie ist er Mensch
worden. Wäre also auch Nachahmung
der Charakter unsrer Nation, und wir
ahmten nur mit Besonnenheit nach: so
gereichte dieses Wort uns zur Ehre. Wenn
wir von allen Völkern ihr Bestes uns
eigen machten: so wären wir unter ihnen
das, was der Mensch gegen alle
die Neben
- und Mitgeschöpfe ist,
von denen er Künste gelernt hat.
Er kam zuletzt, sah Jedem seine Art ab,
und übertrift oder regiert sie alle.

Zu diesem Zweck haben wir ein vor-
trefliches Mittel in unsrer Gewalt, unsre
Sprache; sie kann uns das seyn, was
dem Kunst-nachahmenden Menschen die
Hand ist. Man rühmt den Sklavoni-
schen Sprachen nach, daß sie zur Nachbil-
dung fremder Idiome in jeder Wendung,

durch Nachahmung iſt der Menſch zur
Kunſt gelanget; nur durch ſie iſt er Menſch
worden. Waͤre alſo auch Nachahmung
der Charakter unſrer Nation, und wir
ahmten nur mit Beſonnenheit nach: ſo
gereichte dieſes Wort uns zur Ehre. Wenn
wir von allen Voͤlkern ihr Beſtes uns
eigen machten: ſo waͤren wir unter ihnen
das, was der Menſch gegen alle
die Neben
- und Mitgeſchoͤpfe iſt,
von denen er Kuͤnſte gelernt hat.
Er kam zuletzt, ſah Jedem ſeine Art ab,
und uͤbertrift oder regiert ſie alle.

Zu dieſem Zweck haben wir ein vor-
trefliches Mittel in unſrer Gewalt, unſre
Sprache; ſie kann uns das ſeyn, was
dem Kunſt-nachahmenden Menſchen die
Hand iſt. Man ruͤhmt den Sklavoni-
ſchen Sprachen nach, daß ſie zur Nachbil-
dung fremder Idiome in jeder Wendung,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0133" n="114"/>
durch Nachahmung i&#x017F;t der Men&#x017F;ch zur<lb/>
Kun&#x017F;t gelanget; nur durch &#x017F;ie i&#x017F;t er Men&#x017F;ch<lb/><hi rendition="#g">worden</hi>. Wa&#x0364;re al&#x017F;o auch Nachahmung<lb/>
der Charakter un&#x017F;rer Nation, und wir<lb/>
ahmten nur mit Be&#x017F;onnenheit nach: &#x017F;o<lb/>
gereichte die&#x017F;es Wort uns zur Ehre. Wenn<lb/>
wir von allen Vo&#x0364;lkern ihr <hi rendition="#g">Be&#x017F;tes</hi> uns<lb/>
eigen machten: &#x017F;o wa&#x0364;ren wir unter ihnen<lb/>
das, <hi rendition="#g">was der Men&#x017F;ch gegen alle<lb/>
die Neben</hi>- <hi rendition="#g">und Mitge&#x017F;cho&#x0364;pfe</hi> i&#x017F;t,<lb/><hi rendition="#g">von denen er Ku&#x0364;n&#x017F;te gelernt hat</hi>.<lb/>
Er kam zuletzt, &#x017F;ah Jedem &#x017F;eine Art ab,<lb/>
und u&#x0364;bertrift oder regiert &#x017F;ie alle.</p><lb/>
        <p>Zu die&#x017F;em Zweck haben wir ein vor-<lb/>
trefliches Mittel in un&#x017F;rer Gewalt, un&#x017F;re<lb/><hi rendition="#g">Sprache</hi>; &#x017F;ie kann uns das &#x017F;eyn, was<lb/>
dem Kun&#x017F;t-nachahmenden Men&#x017F;chen die<lb/><hi rendition="#g">Hand</hi> i&#x017F;t. Man ru&#x0364;hmt den Sklavoni-<lb/>
&#x017F;chen Sprachen nach, daß &#x017F;ie zur Nachbil-<lb/>
dung fremder Idiome in jeder Wendung,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[114/0133] durch Nachahmung iſt der Menſch zur Kunſt gelanget; nur durch ſie iſt er Menſch worden. Waͤre alſo auch Nachahmung der Charakter unſrer Nation, und wir ahmten nur mit Beſonnenheit nach: ſo gereichte dieſes Wort uns zur Ehre. Wenn wir von allen Voͤlkern ihr Beſtes uns eigen machten: ſo waͤren wir unter ihnen das, was der Menſch gegen alle die Neben- und Mitgeſchoͤpfe iſt, von denen er Kuͤnſte gelernt hat. Er kam zuletzt, ſah Jedem ſeine Art ab, und uͤbertrift oder regiert ſie alle. Zu dieſem Zweck haben wir ein vor- trefliches Mittel in unſrer Gewalt, unſre Sprache; ſie kann uns das ſeyn, was dem Kunſt-nachahmenden Menſchen die Hand iſt. Man ruͤhmt den Sklavoni- ſchen Sprachen nach, daß ſie zur Nachbil- dung fremder Idiome in jeder Wendung,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet08_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet08_1796/133
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 8. Riga, 1796, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet08_1796/133>, abgerufen am 23.11.2024.