Geschichte, auch geistliche Dinge wurden in Canzonen, Villanesca's und an- dern Gedichtarten besungen, unter welchen man die Satyren Sirventes nannte. Auch Lehre und Unterricht trug man in mancherlei Einkleidungen vor; ja es ereig- neten sich keine Händel der damaligen Zeit, die an großen Ereignissen und Verwirrun- gen sehr reich war, an denen hie und dort nicht irgend ein Provenzal Antheil genom- men hätte. Kreuzzüge und andre Kriege, Vererbungen der Reiche und Schlösser, Sitten der Fürsten, der Damen, der Geist- lichkeit, der Päbste selbst; alles berührte diese Dichtkunst, oft mit einer kühnen Frei- heit. Finder, Trobadoren nannten sich die Dichter, die vorher in der bäuri- schen Römersprache Fatisten (Macher, faiseurs) geheißen hatten. Ihre Kunst hatte den Namen der fröhlichen Wis-
Geſchichte, auch geiſtliche Dinge wurden in Canzonen, Villaneſca's und an- dern Gedichtarten beſungen, unter welchen man die Satyren Sirventes nannte. Auch Lehre und Unterricht trug man in mancherlei Einkleidungen vor; ja es ereig- neten ſich keine Haͤndel der damaligen Zeit, die an großen Ereigniſſen und Verwirrun- gen ſehr reich war, an denen hie und dort nicht irgend ein Provenzal Antheil genom- men haͤtte. Kreuzzuͤge und andre Kriege, Vererbungen der Reiche und Schloͤſſer, Sitten der Fuͤrſten, der Damen, der Geiſt- lichkeit, der Paͤbſte ſelbſt; alles beruͤhrte dieſe Dichtkunſt, oft mit einer kuͤhnen Frei- heit. Finder, Trobadoren nannten ſich die Dichter, die vorher in der baͤuri- ſchen Roͤmerſprache Fatiſten (Macher, faiseurs) geheißen hatten. Ihre Kunſt hatte den Namen der froͤhlichen Wiſ-
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Geſchichte, auch geiſtliche Dinge wurden
in Canzonen, Villaneſca's und an-
dern Gedichtarten beſungen, unter welchen
man die Satyren Sirventes nannte.
Auch Lehre und Unterricht trug man in
mancherlei Einkleidungen vor; ja es ereig-
neten ſich keine Haͤndel der damaligen Zeit,
die an großen Ereigniſſen und Verwirrun-
gen ſehr reich war, an denen hie und dort
nicht irgend ein Provenzal Antheil genom-
men haͤtte. Kreuzzuͤge und andre Kriege,
Vererbungen der Reiche und Schloͤſſer,
Sitten der Fuͤrſten, der Damen, der Geiſt-
lichkeit, der Paͤbſte ſelbſt; alles beruͤhrte
dieſe Dichtkunſt, oft mit einer kuͤhnen Frei-
heit. Finder, Trobadoren nannten
ſich die Dichter, die vorher in der baͤuri-
ſchen Roͤmerſprache Fatiſten (Macher,
faiseurs) geheißen hatten. Ihre Kunſt
hatte den Namen der froͤhlichen Wiſ-
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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 7. Riga, 1796, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet07_1796/94>, abgerufen am 16.02.2025.
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