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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 7. Riga, 1796.

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Bestimmung verrückt, zu welchem die Men-
schen auf Erden leben, so erscheinen durch
katoprische Spiegel zurückgeworfene selt-
same Bilder und Vorbilder des Lebens.
Eine Zauberlaterne bringt Gestalten her-
vor, die in Schrecken und Verwunderung
setzen können, denen man aber nicht ohne
Gefahr folget.

Ihr Fragment meldete uns an, daß
sich fortan die Musik von der Poesie
scheiden und in eignen Regionen
ihr Kunstwerk treiben werde
; fürs
unbewehrte menschliche Geschlecht eine ge-
fährliche Scheidung. Musik ohne Worte
setzt uns in ein Reich dunkler Ideen; sie
weckt Gefühle auf, jedem nach seiner Weise;
Gefühle, wie sie im Herzen schlummern,
die im Strom oder in der Fluth künstli-
cher Töne ohne Worte keinen Wegweiser
und Leiter finden. Eine Musik, die über

Beſtimmung verruͤckt, zu welchem die Men-
ſchen auf Erden leben, ſo erſcheinen durch
katopriſche Spiegel zuruͤckgeworfene ſelt-
ſame Bilder und Vorbilder des Lebens.
Eine Zauberlaterne bringt Geſtalten her-
vor, die in Schrecken und Verwunderung
ſetzen koͤnnen, denen man aber nicht ohne
Gefahr folget.

Ihr Fragment meldete uns an, daß
ſich fortan die Muſik von der Poeſie
ſcheiden und in eignen Regionen
ihr Kunſtwerk treiben werde
; fuͤrs
unbewehrte menſchliche Geſchlecht eine ge-
faͤhrliche Scheidung. Muſik ohne Worte
ſetzt uns in ein Reich dunkler Ideen; ſie
weckt Gefuͤhle auf, jedem nach ſeiner Weiſe;
Gefuͤhle, wie ſie im Herzen ſchlummern,
die im Strom oder in der Fluth kuͤnſtli-
cher Toͤne ohne Worte keinen Wegweiſer
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[55/0072] Beſtimmung verruͤckt, zu welchem die Men- ſchen auf Erden leben, ſo erſcheinen durch katopriſche Spiegel zuruͤckgeworfene ſelt- ſame Bilder und Vorbilder des Lebens. Eine Zauberlaterne bringt Geſtalten her- vor, die in Schrecken und Verwunderung ſetzen koͤnnen, denen man aber nicht ohne Gefahr folget. Ihr Fragment meldete uns an, daß ſich fortan die Muſik von der Poeſie ſcheiden und in eignen Regionen ihr Kunſtwerk treiben werde; fuͤrs unbewehrte menſchliche Geſchlecht eine ge- faͤhrliche Scheidung. Muſik ohne Worte ſetzt uns in ein Reich dunkler Ideen; ſie weckt Gefuͤhle auf, jedem nach ſeiner Weiſe; Gefuͤhle, wie ſie im Herzen ſchlummern, die im Strom oder in der Fluth kuͤnſtli- cher Toͤne ohne Worte keinen Wegweiſer und Leiter finden. Eine Muſik, die uͤber

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 7. Riga, 1796, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet07_1796/72>, abgerufen am 21.11.2024.