Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 7. Riga, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

senschaften, selbst für die ganze Rich-
tung der menschlichen Denkart.

Denn 1. Fortan war die Poesie
keinem Volk
, keinem Lande eigen,
weil dieser Geist christlicher Hymnen, mit
Zerstöhrung aller Nationalheiligthümer, die
Völker insgesammt umfaßte und glauben
lehrte. An die Stelle jener längst verleb-
ten Heroen und Nationalwohlthäter traten
jetzt neue Heroen, die Märtyrer; die
auf der Erde ihre Festtage, Kirchen und
Patrimonien bekamen, wie sie als Schutz-
patronen und Fürbitter bei Gott angesehene
Plätze droben besaßen. Himmel und Erde
war also den Heiligen gegeben, die christ-
liche Welt war unter sie vertheilet. Statt
einzelner irrdischer Wohlthaten sang man
Eine große Wohlthat, die Erlösung der
Welt vom Aberglauben und den
Dämonen
. Statt eingeschränkter irrdi-

ſenſchaften, ſelbſt fuͤr die ganze Rich-
tung der menſchlichen Denkart.

Denn 1. Fortan war die Poeſie
keinem Volk
, keinem Lande eigen,
weil dieſer Geiſt chriſtlicher Hymnen, mit
Zerſtoͤhrung aller Nationalheiligthuͤmer, die
Voͤlker insgeſammt umfaßte und glauben
lehrte. An die Stelle jener laͤngſt verleb-
ten Heroën und Nationalwohlthaͤter traten
jetzt neue Heroën, die Maͤrtyrer; die
auf der Erde ihre Feſttage, Kirchen und
Patrimonien bekamen, wie ſie als Schutz-
patronen und Fuͤrbitter bei Gott angeſehene
Plaͤtze droben beſaßen. Himmel und Erde
war alſo den Heiligen gegeben, die chriſt-
liche Welt war unter ſie vertheilet. Statt
einzelner irrdiſcher Wohlthaten ſang man
Eine große Wohlthat, die Erloͤſung der
Welt vom Aberglauben und den
Daͤmonen
. Statt eingeſchraͤnkter irrdi-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0048" n="31"/><hi rendition="#g">&#x017F;en&#x017F;chaften</hi>, &#x017F;elb&#x017F;t fu&#x0364;r die <hi rendition="#g">ganze Rich</hi>-<lb/><hi rendition="#g">tung der men&#x017F;chlichen Denkart</hi>.</p><lb/>
        <p>Denn 1. <hi rendition="#g">Fortan war die Poe&#x017F;ie<lb/>
keinem Volk</hi>, <hi rendition="#g">keinem Lande eigen</hi>,<lb/>
weil die&#x017F;er Gei&#x017F;t chri&#x017F;tlicher Hymnen, mit<lb/>
Zer&#x017F;to&#x0364;hrung aller Nationalheiligthu&#x0364;mer, die<lb/>
Vo&#x0364;lker insge&#x017F;ammt umfaßte und <hi rendition="#g">glauben</hi><lb/>
lehrte. An die Stelle jener la&#x0364;ng&#x017F;t verleb-<lb/>
ten Heroën und Nationalwohltha&#x0364;ter traten<lb/>
jetzt <hi rendition="#g">neue Heroën</hi>, die Ma&#x0364;rtyrer; die<lb/>
auf der Erde ihre Fe&#x017F;ttage, Kirchen und<lb/>
Patrimonien bekamen, wie &#x017F;ie als Schutz-<lb/>
patronen und Fu&#x0364;rbitter bei Gott ange&#x017F;ehene<lb/>
Pla&#x0364;tze droben be&#x017F;aßen. Himmel und Erde<lb/>
war al&#x017F;o den Heiligen gegeben, die chri&#x017F;t-<lb/>
liche Welt war unter &#x017F;ie vertheilet. Statt<lb/>
einzelner irrdi&#x017F;cher Wohlthaten &#x017F;ang man<lb/>
Eine große Wohlthat, <hi rendition="#g">die Erlo&#x0364;&#x017F;ung der<lb/>
Welt vom Aberglauben und den<lb/>
Da&#x0364;monen</hi>. Statt einge&#x017F;chra&#x0364;nkter irrdi-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[31/0048] ſenſchaften, ſelbſt fuͤr die ganze Rich- tung der menſchlichen Denkart. Denn 1. Fortan war die Poeſie keinem Volk, keinem Lande eigen, weil dieſer Geiſt chriſtlicher Hymnen, mit Zerſtoͤhrung aller Nationalheiligthuͤmer, die Voͤlker insgeſammt umfaßte und glauben lehrte. An die Stelle jener laͤngſt verleb- ten Heroën und Nationalwohlthaͤter traten jetzt neue Heroën, die Maͤrtyrer; die auf der Erde ihre Feſttage, Kirchen und Patrimonien bekamen, wie ſie als Schutz- patronen und Fuͤrbitter bei Gott angeſehene Plaͤtze droben beſaßen. Himmel und Erde war alſo den Heiligen gegeben, die chriſt- liche Welt war unter ſie vertheilet. Statt einzelner irrdiſcher Wohlthaten ſang man Eine große Wohlthat, die Erloͤſung der Welt vom Aberglauben und den Daͤmonen. Statt eingeſchraͤnkter irrdi-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet07_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet07_1796/48
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 7. Riga, 1796, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet07_1796/48>, abgerufen am 21.11.2024.