Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 7. Riga, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

tome und so manches üppige Capitolo
schildert. Man rühmte sich dessen, was man
erfahren haben wollte, nicht immer auf die
feinste und sittlichste Weise.

Tapferkeit. Ein edles Wort; die
damaligen Zeiten aber gebrauchten es nicht
immer in der edelsten Anwendung. Der
Ritter, der in die Welt zog, Ungläubige oder
Ketzer zu vertilgen und sich außer den Pflich-
ten gegen Ebenbürtige, gegen Damen, ge-
gen seinen Lehnsherren und die Kirche Alles
erlaubt hielt, war eben nicht das reinste
Ideal männlicher Tugend. Eine Poesie also,
die solche Ritterzüge besang oder erzählte,
mußte oft dumpf umherschwärmen und bis
zum Ermüden singen und sagen, was Rit-
terthum und Ritterehre erfodert. Oder
um diesem Einerlei zuvor zu kommen, mußte
sie sich ins Ungeheure, ins Unmögliche ver-
lieren, hier eine brutale Macht loben, dort

tome und ſo manches uͤppige Capitolo
ſchildert. Man ruͤhmte ſich deſſen, was man
erfahren haben wollte, nicht immer auf die
feinſte und ſittlichſte Weiſe.

Tapferkeit. Ein edles Wort; die
damaligen Zeiten aber gebrauchten es nicht
immer in der edelſten Anwendung. Der
Ritter, der in die Welt zog, Unglaͤubige oder
Ketzer zu vertilgen und ſich außer den Pflich-
ten gegen Ebenbuͤrtige, gegen Damen, ge-
gen ſeinen Lehnsherren und die Kirche Alles
erlaubt hielt, war eben nicht das reinſte
Ideal maͤnnlicher Tugend. Eine Poeſie alſo,
die ſolche Ritterzuͤge beſang oder erzaͤhlte,
mußte oft dumpf umherſchwaͤrmen und bis
zum Ermuͤden ſingen und ſagen, was Rit-
terthum und Ritterehre erfodert. Oder
um dieſem Einerlei zuvor zu kommen, mußte
ſie ſich ins Ungeheure, ins Unmoͤgliche ver-
lieren, hier eine brutale Macht loben, dort

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0163" n="146"/><hi rendition="#g">tome</hi> und &#x017F;o manches u&#x0364;ppige <hi rendition="#aq">Capitolo</hi><lb/>
&#x017F;childert. Man ru&#x0364;hmte &#x017F;ich de&#x017F;&#x017F;en, was man<lb/>
erfahren haben wollte, nicht immer auf die<lb/>
fein&#x017F;te und &#x017F;ittlich&#x017F;te Wei&#x017F;e.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#g">Tapferkeit</hi>. Ein edles Wort; die<lb/>
damaligen Zeiten aber gebrauchten es nicht<lb/>
immer in der edel&#x017F;ten Anwendung. Der<lb/>
Ritter, der in die Welt zog, Ungla&#x0364;ubige oder<lb/>
Ketzer zu vertilgen und &#x017F;ich außer den Pflich-<lb/>
ten gegen Ebenbu&#x0364;rtige, gegen Damen, ge-<lb/>
gen &#x017F;einen Lehnsherren und die Kirche Alles<lb/>
erlaubt hielt, war eben nicht das rein&#x017F;te<lb/>
Ideal ma&#x0364;nnlicher Tugend. Eine Poe&#x017F;ie al&#x017F;o,<lb/>
die &#x017F;olche Ritterzu&#x0364;ge be&#x017F;ang oder erza&#x0364;hlte,<lb/>
mußte oft dumpf umher&#x017F;chwa&#x0364;rmen und bis<lb/>
zum Ermu&#x0364;den &#x017F;ingen und &#x017F;agen, was <hi rendition="#g">Rit</hi>-<lb/><hi rendition="#g">terthum</hi> und <hi rendition="#g">Ritterehre</hi> erfodert. Oder<lb/>
um die&#x017F;em Einerlei zuvor zu kommen, mußte<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ich ins Ungeheure, ins Unmo&#x0364;gliche ver-<lb/>
lieren, hier eine brutale Macht loben, dort<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[146/0163] tome und ſo manches uͤppige Capitolo ſchildert. Man ruͤhmte ſich deſſen, was man erfahren haben wollte, nicht immer auf die feinſte und ſittlichſte Weiſe. Tapferkeit. Ein edles Wort; die damaligen Zeiten aber gebrauchten es nicht immer in der edelſten Anwendung. Der Ritter, der in die Welt zog, Unglaͤubige oder Ketzer zu vertilgen und ſich außer den Pflich- ten gegen Ebenbuͤrtige, gegen Damen, ge- gen ſeinen Lehnsherren und die Kirche Alles erlaubt hielt, war eben nicht das reinſte Ideal maͤnnlicher Tugend. Eine Poeſie alſo, die ſolche Ritterzuͤge beſang oder erzaͤhlte, mußte oft dumpf umherſchwaͤrmen und bis zum Ermuͤden ſingen und ſagen, was Rit- terthum und Ritterehre erfodert. Oder um dieſem Einerlei zuvor zu kommen, mußte ſie ſich ins Ungeheure, ins Unmoͤgliche ver- lieren, hier eine brutale Macht loben, dort

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet07_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet07_1796/163
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 7. Riga, 1796, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet07_1796/163>, abgerufen am 21.05.2024.