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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 6. Riga, 1795.

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denheit und eine Kunstlose Schaam, die
selbst die höchste Kunst ist, sind und we-
cken den Liebreiz. Es giebt keine feinere
Zunge dieser Waage.

Neben ihr stehe die verschleierte Vesta.
Als die große Mutter der Natur ken-
nen wir sie nur auf Gemmen, oder in der
Flamme ihres Altars; aber ihre Vestalen,
die Dienerinnen ihres heiligen Heerdes,
sind uns ehrwürdige Jungfrau-Ma-
tronen. Aus jeder Falte ihres Gewan-
des hätten Nonnen und Heilige lernen
können, was zu beobachten sei, um in ei-
ner reinen Menschheit also ehrwürdig zu
erscheinen, daß man bei einer kaum sicht-
bar gewordnen Hand und dem Engelrei-
nen Antlitz den großen dichten Schleier
heiliger Gelübde verehret. --

Wieder lasse ich mich am Fuß dieser Ve-
stale nieder und frage: "was helfen uns die-

denheit und eine Kunſtloſe Schaam, die
ſelbſt die hoͤchſte Kunſt iſt, ſind und we-
cken den Liebreiz. Es giebt keine feinere
Zunge dieſer Waage.

Neben ihr ſtehe die verſchleierte Veſta.
Als die große Mutter der Natur ken-
nen wir ſie nur auf Gemmen, oder in der
Flamme ihres Altars; aber ihre Veſtalen,
die Dienerinnen ihres heiligen Heerdes,
ſind uns ehrwuͤrdige Jungfrau-Ma-
tronen. Aus jeder Falte ihres Gewan-
des haͤtten Nonnen und Heilige lernen
koͤnnen, was zu beobachten ſei, um in ei-
ner reinen Menſchheit alſo ehrwuͤrdig zu
erſcheinen, daß man bei einer kaum ſicht-
bar gewordnen Hand und dem Engelrei-
nen Antlitz den großen dichten Schleier
heiliger Geluͤbde verehret. —

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[42/0057] denheit und eine Kunſtloſe Schaam, die ſelbſt die hoͤchſte Kunſt iſt, ſind und we- cken den Liebreiz. Es giebt keine feinere Zunge dieſer Waage. Neben ihr ſtehe die verſchleierte Veſta. Als die große Mutter der Natur ken- nen wir ſie nur auf Gemmen, oder in der Flamme ihres Altars; aber ihre Veſtalen, die Dienerinnen ihres heiligen Heerdes, ſind uns ehrwuͤrdige Jungfrau-Ma- tronen. Aus jeder Falte ihres Gewan- des haͤtten Nonnen und Heilige lernen koͤnnen, was zu beobachten ſei, um in ei- ner reinen Menſchheit alſo ehrwuͤrdig zu erſcheinen, daß man bei einer kaum ſicht- bar gewordnen Hand und dem Engelrei- nen Antlitz den großen dichten Schleier heiliger Geluͤbde verehret. — Wieder laſſe ich mich am Fuß dieſer Ve- ſtale nieder und frage: „was helfen uns die-

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 6. Riga, 1795, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet06_1795/57>, abgerufen am 24.11.2024.