Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 6. Riga, 1795.Aber jene Genien einer ächten Gattung Aber jene Genien einer aͤchten Gattung <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0030" n="15"/> Aber jene Genien einer aͤchten Gattung<lb/> ſind in ſich geſenkt, als ob keine Welt um<lb/> ſie waͤre, und fuͤhlen ſich im leiſeſten<lb/> Selbſtgenuſſe zufrieden. Die Idee der<lb/> Traurigkeit, die wir in ſie legen, kommt<lb/> wahrſcheinlich von uns ſelbſt her; wir<lb/> empfinden ihre Bluͤthe naͤmlich auf ſo zar-<lb/> ter Sproſſe, daß uns, mitten im Genuß,<lb/> der Unbeſtand derſelben zu ſchmerzen an-<lb/> faͤngt. Wir, zumal fremde Nordlaͤnder,<lb/> fuͤhlen, der zarte Ton verhalle, die Roſen-<lb/> knoſpe entwickle ſich und erſterbe. Das<lb/> ſollten wir indeß nicht fuͤhlen, vielmehr<lb/> dem Schoͤpfer der Natur danken, daß er<lb/> uns eine ſolche Bluͤthe menſchlichen Da-<lb/> ſeyns zeigte. Was <hi rendition="#g">Anakreon</hi> und die<lb/> Anthologen, was <hi rendition="#g">Sappho</hi>, <hi rendition="#g">Platon</hi>,<lb/> und wenn er noch vorhanden waͤre, <hi rendition="#g">Jby</hi>-<lb/><hi rendition="#g">kus</hi> von ſchoͤnen Juͤnglingen gedichtet und<lb/> geſungen haben, bliebe uns ohne dieſe<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [15/0030]
Aber jene Genien einer aͤchten Gattung
ſind in ſich geſenkt, als ob keine Welt um
ſie waͤre, und fuͤhlen ſich im leiſeſten
Selbſtgenuſſe zufrieden. Die Idee der
Traurigkeit, die wir in ſie legen, kommt
wahrſcheinlich von uns ſelbſt her; wir
empfinden ihre Bluͤthe naͤmlich auf ſo zar-
ter Sproſſe, daß uns, mitten im Genuß,
der Unbeſtand derſelben zu ſchmerzen an-
faͤngt. Wir, zumal fremde Nordlaͤnder,
fuͤhlen, der zarte Ton verhalle, die Roſen-
knoſpe entwickle ſich und erſterbe. Das
ſollten wir indeß nicht fuͤhlen, vielmehr
dem Schoͤpfer der Natur danken, daß er
uns eine ſolche Bluͤthe menſchlichen Da-
ſeyns zeigte. Was Anakreon und die
Anthologen, was Sappho, Platon,
und wenn er noch vorhanden waͤre, Jby-
kus von ſchoͤnen Juͤnglingen gedichtet und
geſungen haben, bliebe uns ohne dieſe
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