Blick und Liebe so viel sanfter in Eins zu verschmelzen weiß; gnug, das bloße Bedürfniß eines bedürftigen Wesens ga- ben sie bildend weniger dem Auge Preis. Die schönen Kinder, die die griechische Kunst schuf, waren schon in Spielen begriffen; in Neckereien mancher Art, am liebsten mit einen sanften Thier, einem Vo- gel, mit einem Neste von Vögeln, oder mit Früchten. Diese Vorstellung setzt uns jedesmal in das Leben der Kinder, in die unschuldigen Vergnügungen der Kindes- Jahre. Ihre Natur athmet die volle Ge- sundheit, die offne Fröhlichkeit, die uns Kinder so lieb macht.
Die höchste Idee aller Kinder -- was konnte sie also seyn? Im Himmel und auf Erden nichts anders als Eros, Amor, Unschuld und Liebe. Sind Kinder nicht sichtbargewordene Darstellun-
Blick und Liebe ſo viel ſanfter in Eins zu verſchmelzen weiß; gnug, das bloße Beduͤrfniß eines beduͤrftigen Weſens ga- ben ſie bildend weniger dem Auge Preis. Die ſchoͤnen Kinder, die die griechiſche Kunſt ſchuf, waren ſchon in Spielen begriffen; in Neckereien mancher Art, am liebſten mit einen ſanften Thier, einem Vo- gel, mit einem Neſte von Voͤgeln, oder mit Fruͤchten. Dieſe Vorſtellung ſetzt uns jedesmal in das Leben der Kinder, in die unſchuldigen Vergnuͤgungen der Kindes- Jahre. Ihre Natur athmet die volle Ge- ſundheit, die offne Froͤhlichkeit, die uns Kinder ſo lieb macht.
Die hoͤchſte Idee aller Kinder — was konnte ſie alſo ſeyn? Im Himmel und auf Erden nichts anders als Eros, Amor, Unſchuld und Liebe. Sind Kinder nicht ſichtbargewordene Darſtellun-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0025"n="10"/>
Blick und Liebe ſo viel ſanfter in Eins<lb/>
zu verſchmelzen weiß; gnug, das bloße<lb/>
Beduͤrfniß eines beduͤrftigen Weſens ga-<lb/>
ben ſie bildend weniger dem Auge Preis.<lb/>
Die ſchoͤnen Kinder, die die griechiſche<lb/>
Kunſt ſchuf, waren ſchon <hirendition="#g">in Spielen</hi><lb/>
begriffen; in Neckereien mancher Art, am<lb/>
liebſten mit einen ſanften Thier, einem Vo-<lb/>
gel, mit einem Neſte von Voͤgeln, oder<lb/>
mit Fruͤchten. Dieſe Vorſtellung ſetzt uns<lb/>
jedesmal in das Leben der Kinder, in die<lb/>
unſchuldigen Vergnuͤgungen der Kindes-<lb/>
Jahre. Ihre Natur athmet die volle Ge-<lb/>ſundheit, die offne Froͤhlichkeit, die uns<lb/>
Kinder ſo lieb macht.</p><lb/><p>Die <hirendition="#g">hoͤchſte Idee</hi> aller Kinder —<lb/>
was konnte ſie alſo ſeyn? Im Himmel<lb/>
und auf Erden nichts anders als <hirendition="#g">Eros</hi>,<lb/><hirendition="#g">Amor</hi>, <hirendition="#g">Unſchuld</hi> und <hirendition="#g">Liebe</hi>. Sind<lb/>
Kinder nicht ſichtbargewordene Darſtellun-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[10/0025]
Blick und Liebe ſo viel ſanfter in Eins
zu verſchmelzen weiß; gnug, das bloße
Beduͤrfniß eines beduͤrftigen Weſens ga-
ben ſie bildend weniger dem Auge Preis.
Die ſchoͤnen Kinder, die die griechiſche
Kunſt ſchuf, waren ſchon in Spielen
begriffen; in Neckereien mancher Art, am
liebſten mit einen ſanften Thier, einem Vo-
gel, mit einem Neſte von Voͤgeln, oder
mit Fruͤchten. Dieſe Vorſtellung ſetzt uns
jedesmal in das Leben der Kinder, in die
unſchuldigen Vergnuͤgungen der Kindes-
Jahre. Ihre Natur athmet die volle Ge-
ſundheit, die offne Froͤhlichkeit, die uns
Kinder ſo lieb macht.
Die hoͤchſte Idee aller Kinder —
was konnte ſie alſo ſeyn? Im Himmel
und auf Erden nichts anders als Eros,
Amor, Unſchuld und Liebe. Sind
Kinder nicht ſichtbargewordene Darſtellun-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 6. Riga, 1795, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet06_1795/25>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.