Handelschaft, wo der Verfasser im Scherz eine neue Muse, die Kochkunst, den ältern, vornehmeren Musen beifüget. "Schöne Kunst oder Wissenschaft, sagt er; die Erziehung eines jeden Volks fängt ele- mentarisch mit dem Essen an. Wo dieses noch nicht mit Ordnung, Reinlichkeit und Geschmack geschiehet, da ist die Cultur noch nicht beim Anfange. Dieser Tafel- genuß, der in einer Handelstadt, wo man auf innere Güte achtet, zuerst den guten Grad der Vollkommenheit erreicht, hilft bilden. Unsre Töchter, unter der An- führung ihrer Mütter, mögen also immer die Ehre des Hauses beim hellen Heer- de behaupten, wofür die Männer jetzt ar- beiten und vordem stritten. Nehmet sie, ehe sie zu den schönen Wissenschaften über- geht, in eure Mitte, ihr neun Schwe- stern, diese keusche Muse mit der reinli-
Handelſchaft, wo der Verfaſſer im Scherz eine neue Muſe, die Kochkunſt, den aͤltern, vornehmeren Muſen beifuͤget. „Schoͤne Kunſt oder Wiſſenſchaft, ſagt er; die Erziehung eines jeden Volks faͤngt ele- mentariſch mit dem Eſſen an. Wo dieſes noch nicht mit Ordnung, Reinlichkeit und Geſchmack geſchiehet, da iſt die Cultur noch nicht beim Anfange. Dieſer Tafel- genuß, der in einer Handelſtadt, wo man auf innere Guͤte achtet, zuerſt den guten Grad der Vollkommenheit erreicht, hilft bilden. Unſre Toͤchter, unter der An- fuͤhrung ihrer Muͤtter, moͤgen alſo immer die Ehre des Hauſes beim hellen Heer- de behaupten, wofuͤr die Maͤnner jetzt ar- beiten und vordem ſtritten. Nehmet ſie, ehe ſie zu den ſchoͤnen Wiſſenſchaften uͤber- geht, in eure Mitte, ihr neun Schwe- ſtern, dieſe keuſche Muſe mit der reinli-
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Handelſchaft, wo der Verfaſſer im
Scherz eine neue Muſe, die Kochkunſt,
den aͤltern, vornehmeren Muſen beifuͤget.
„Schoͤne Kunſt oder Wiſſenſchaft, ſagt er;
die Erziehung eines jeden Volks faͤngt ele-
mentariſch mit dem Eſſen an. Wo dieſes
noch nicht mit Ordnung, Reinlichkeit und
Geſchmack geſchiehet, da iſt die Cultur
noch nicht beim Anfange. Dieſer Tafel-
genuß, der in einer Handelſtadt, wo man
auf innere Guͤte achtet, zuerſt den guten
Grad der Vollkommenheit erreicht, hilft
bilden. Unſre Toͤchter, unter der An-
fuͤhrung ihrer Muͤtter, moͤgen alſo immer
die Ehre des Hauſes beim hellen Heer-
de behaupten, wofuͤr die Maͤnner jetzt ar-
beiten und vordem ſtritten. Nehmet ſie,
ehe ſie zu den ſchoͤnen Wiſſenſchaften uͤber-
geht, in eure Mitte, ihr neun Schwe-
ſtern, dieſe keuſche Muſe mit der reinli-
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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 6. Riga, 1795, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet06_1795/193>, abgerufen am 17.07.2024.
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